Schicksal!
hinter mir rekelt sich
Bestimmung
in einem knappen roten Lederanzug mit Reißverschluss von Guess und einem Paar oberschenkelhoher Glanzlederstiefel.
»
Was
ist nicht so einfach?«, frage ich und tue so, als wüsste ich nicht, wovon sie spricht.
»Ach, komm schon, Seeeeergio«, sagt sie. »Ich habe dir die letzte halbe Stunde dabei zugesehen, wie du Menschen dazu bewegen wolltest, ihre Verhaltensweisen zu ändern. Das ist absolut bewundernswert. Zwecklos, aber bewundernswert.«
Ich bin mir nicht sicher, was mich mehr stört: dass
Bestimmung
mich die letzte halbe Stunde ohne mein Wissen beobachtet hat oder dass sie denkt, dass das, was ich mache, sinnlos ist.
»Was machst du hier?«, erkundige ich mich.
»Ich mische mich unter das gemeine Volk«, gibt sie zurück. »Ich wollte mal schauen, wie die anderen dreiundachtzig Prozent so leben. Ich weiß nicht, wie du es mit ihnen aushältst, Sergio. Die sind alle so … gewöhnlich.«
Das entspricht sicherlich der Wahrheit. Trotzdem sind es immer noch meine Menschen – und ich mag es gar nicht, wenn eine unsterbliche Wesenheit, die Sex mit jeder der Todsünden hatte, über meine Menschen richtet.
»So übel sind sie nicht«, erwidere ich. »Du musst sie nur besser kennenlernen.«
Bestimmung
bricht in wieherndes Gelächter aus.
Während ein Teil von mir fassungslos zuhört, wie ich tatsächlich meine Menschen verteidige, erträgt ein größerer Teil
Bestimmungs
Geringschätzung für sie nicht.
»Sie sind vielleicht nicht dazu bestimmt, jemandem das Leben zu retten, einen Pulitzer-Preis zu gewinnen oder ein Heilmittel gegen AIDS zu entwickeln, das stimmt. Aber sie haben dennoch alle einen Wert für die Gesellschaft«, erkläre ich. »Zumindest wenn man über all ihre Fehler, Komplexe und das selbstzerstörerische Verhalten hinwegsehen kann.«
»Das sieht dir überhaupt nicht ähnlich, Sergio«, meint sie. »Du bist immer so objektiv gewesen. So nüchtern. Woher kommt das plötzliche Interesse an deinen Menschen?«
»Vielleicht habe ich es satt, dabei zuzuschauen, wie sie ihre Leben versauen«, sage ich. »Vielleicht will ich ihnen helfen, ihre Träume zu verwirklichen.«
Wieder mal sprudeln Saras Worte aus meinem Mund.
»Du weißt, dass du damit geradezu um Ärger bettelst, Sergio«, wendet sie ein. »Eingriffe sind ein absolutes Tabu.«
»Na ja«, platze ich heraus, ehe ich mich beherrschen kann, »du hast dich bei Sara auch nicht unbedingt an die Firmenpolitik gehalten.«
»Wenn du erkennen würdest,
wie
besonders sie ist«, sagt
Bestimmung,
»dann würdest du es verstehen.«
»Ich weiß, wie besonders sie ist.«
»Du hast nicht die geringste Ahnung. Du steckst bis zum Hals in dieser Sache drin, Sergio. Und du musst da raus, bevor es dir an den Kragen geht.«
»Mir geht’s prima«, halte ich dagegen.
»Du weißt, dass es nicht funktionieren kann«, beharrt
Bestimmung.
»Du kannst keine Beziehung mit ihr führen. Das verstößt nicht nur gegen die Firmenpolitik; es ist schlichtweg unmöglich.«
»Mir geht’s prima«, wiederhole ich stoisch.
Ein paar Sekunden lang schweigen wir und starren uns bloß an. Während ich mir wünsche, sie würde gehen, setzt sie sich nun aufrecht hin und erinnert mich plötzlich an ein riesiges, rotes Ausrufezeichen.
Bestimmung
legt den Kopf schräg und lächelt mich an.
»Was?«, frage ich.
»Ich vermisse dich, Sergio«, sagt sie. »Ich vermisse die guten Zeiten, die wir miteinander hatten.«
»Es war nur Sex«, erwidere ich.
»Möglicherweise«, räumt sie ein. »Aber es war guter Sex.«
Das kann ich wirklich nicht abstreiten.
Sie stiert mich weiterhin an, den Kopf auf die Seite gelegt. Ein Lächeln spielt um ihre Lippen, das der Grinsekatze aus
Alice im Wunderland
alle Ehre macht.
»Was?«, frage ich erneut.
Als ob ich das nicht wüsste.
Sie gleitet auf mich zu, und bald sind ihre langen, in Leder gehüllten Beine weniger als einen Zentimeter von meinem Menschenanzug entfernt. Mit einer Hand zieht sie den Reißverschluss auf und präsentiert mir ihren Gebirgszug an Dekolleté.
»Ich kann nicht«, sage ich und schließe die Augen. Ich könnte schwören, sie riecht nach Zimt, aber vielleicht ist es auch nur Einbildung.
»Komm schon, Seeeergio«, schnurrt sie. Ihr Atem streichelt verlockend über mein Ohr. »Auf die alten Zeiten?«
Ich schüttele den Kopf, halte den Atem an und denke angestrengt an
Völlerei.
Als ich die Augen öffne, rechne ich schon damit, sie nackt vor mir zu sehen – mit dem typischen
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