Schicksal!
getreten. Ich habe nur ungefähr die letzten fünftausend Jahre mit Frauen herumgemacht – und umgerechnet auf die Lebensspanne des modernen Menschen bedeuten hunderttausend Frauen, dass ich jedes zweite Jahr eine hatte. Natürlich beinhaltet diese Zahl nicht
Bestimmung
oder
Lust
oder
Verschwiegenheit
oder irgendeine meiner anderen zahlreichen Gespielinnen. Ich sehe allerdings keinen Sinn darin, Sara damit noch weiter aufzuregen.
»Woher weiß ich, dass du dir das alles nicht nur ausdenkst?«, will Sara wissen. »Woher weiß ich, dass du die Wahrheit sagst?«
Ich kann es ihr verständlicherweise nicht beweisen, indem ich ihr von ihr selbst erzähle. Also erzähle ich ihr von ihrem älteren Bruder, der im Pool ertrunken ist, als sie drei war. Von ihren Eltern, die sich scheiden ließen, als sie sieben war. Von ihrer besten Freundin, die schwanger wurde, als Sara dreizehn war. Und von ihrem Freund am College, der sie mit einer Stripperin betrogen hat.
Nach ein paar weiteren Minuten des schweigenden Anstarrens sagt sie schließlich: »Also bist du wirklich
Schicksal?
«
Ich nicke.
»Was bedeutet, dass du erkennen kannst, wie mein Leben ausgehen wird?«
»Nicht genau.«
»Was meinst du damit?«, fragt Sara.
Das ist die Stelle, an der es kompliziert wird.
Sara zu beichten, dass ich das Schicksal von mehr als fünfeinhalb Milliarden Menschen kontrolliere, ist eine Sache. Und ich habe noch nicht einmal in Erwägung gezogen, ihr von Jerry zu erzählen. Sie würde ihn treffen wollen – was natürlich unmöglich ist. Das würde nur zu Streitereien führen, weil es sich für sie bestimmt so anfühlt, als würde ich meinen, sie wäre nicht gut genug, um Gott zu treffen. Eine Unterhaltung, die ich gern komplett vermeiden würde.
Aber jemandem zu verraten, dass er für eine größere Zukunft bestimmt ist als der Großteil der menschlichen Bevölkerung, kann einen negativen Einfluss auf die Bestimmung dieser Personen haben. Diese Leute fangen dann an, nach Zeichen Ausschau zu halten. Verändern ihre Gewohnheiten. Denken darüber nach, was passieren wird. Ein solcher kurzer Augenblick reicht aus, damit ein kosmisches Rad seine Ausrichtung verändert und der Bestimmung dieser Menschen eine andere Richtung gibt. Als ich Sara anschaue, die auf meine Antwort wartet, weiß ich, dass ich keine andere Wahl habe. Ich werde ihr die Wahrheit sagen müssen.
»Ich kann deine Zukunft nicht erkennen«, gebe ich zurück.
Okay. Größtenteils wahr.
»Wieso nicht?«, fragt Sara mit besorgtem Gesichtsausdruck. »Stimmt etwas nicht mit mir?«
»Daran liegt es nicht«, sage ich. »Du bist nicht auf meinem Pfad.«
»Pfad? Was für ein Pfad? Was heißt das?«
Ich hole tief Luft und platze heraus: »Das heißt, dass du auf dem Pfad der Bestimmung bist.«
Dann erläutere ich mein jüngstes Geständnis, indem ich ihr die Pfad-Theorie erkläre und den Unterschied zwischen
Schicksal
und
Bestimmung
detailliert ausführe. Dabei unterschlage ich jedoch die Tatsache, dass ich in dem Kurs nur eine Vier hatte. Jerry war sehr enttäuscht von mir.
»Und zu was bin ich bestimmt?«, will Sara wissen.
»Da müsstest du schon
Bestimmung
fragen. Allerdings empfehle ich dir, sie nicht auf dieses Thema anzusprechen. Genau genommen solltest du gar nichts über sie wissen. Oder über mich. Oder irgendetwas über die Dinge, von denen wir gerade sprechen. Ich könnte große Schwierigkeiten bekommen. Außerdem ist
Bestimmung
sowieso schon nicht besonders glücklich darüber, dass ich dein Freund bin.«
»Na ja, es ist ja nicht so, dass ich morgen mit ihr zum Mittagessen verabredet wäre«, sagt Sara.
»Du würdest dich wundern.«
Einige Augenblicke vergehen, bevor Sara sich zu mir auf die Couch setzt. Sie legt die Arme um mich, hält mich fester als je zuvor.
»Danke, dass du mir all das erzählt hast«, flüstert sie mir ins Ohr. »Ich werde dein Vertrauen nicht enttäuschen.«
Ich fühle mich wie ein Superheld, der gerade seine geheime Identität preisgegeben hat. Clark Kent, der beichtet, Superman zu sein. Peter Parker, der seinen inneren Spiderman offenbart.
Sara Griffen. Meine Lois Lane. Meine Mary Jane Watson.
Noch während sie mich an sich drückt, meint Sara: »Wieso sieht
Bestimmung
es nicht gern, dass du mein Freund bist?«
»Weil sie eine selbstsüchtige Schlampe ist«, antworte ich wie aus der Pistole geschossen, ohne es so richtig durchdacht zu haben. »Und sie hat das Gefühl, ich würde dich davon abhalten, deine Bestimmung zu
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