Schicksal!
rituellen Opferungen zuzusehen und Wetten auf den Trojanischen Krieg abzuschließen hat mir gefallen. Das fünfte Jahrhundert hat echt Spaß gemacht – mit Attila, dem Hunnenkönig, der überall einfiel, und dem Untergang Roms. Und meine Liste wäre nicht vollständig ohne das späte Mittelalter, als die Lepra epidemische Ausmaße annahm und der Schwarze Tod Europa heimsuchte. Aber wenn ich eine geschichtliche Periode auswählen müsste, die alle anderen in den Schatten stellt, dann wäre es die prähistorische Zeit.
Nennt mich altmodisch, aber was puren, sinnfreien Spaß angeht, ist die Steinzeit einfach unschlagbar. Okay, die Frauen waren nicht gerade ein Hingucker, und die Konversation war ziemlich eingeschränkt. Aber zuzuschauen, wie sich der paläolithische Mensch von seinen affenartigen Vorfahren zum modernen Jäger und Sammler entwickelt hat, das war unbezahlbar. Ich meine,
Pleiten, Pech und Pannen
ist nichts dagegen. Wer nie gesehen hat, wie sich ein Vormensch – komplett mit Haar bedeckt – selbst anzündet, dem ist definitiv was entgangen.
Was für ein Spaß.
Irgendwie glaube ich, dass das allerdings nicht die Antwort war, die Sara erwartet hat.
»Was ist mit der Renaissance?«, fragt sie. »Oder dem Goldenen Zeitalter Griechenlands? Oder der Aufklärung? Oder der Zeit, als Jesus lebte?«
»Ja, auch sehr interessant«, gebe ich zurück.
Um ehrlich zu sein: Obwohl all die von Sara genannten Epochen ohne Frage bahnbrechend für die künstlerische, philosophische, wissenschaftliche und geistige Entwicklung der Menschheit waren, gab es für mich doch nicht allzu viel, an dem ich mich hätte erfreuen können. Klar, ich habe all diese fantastischen Fortschritte von großer geschichtlicher Bedeutung hautnah miterlebt. Aber meine Mitarbeit daran hielt sich eher in Grenzen. Es war, als wäre man in einem Footballteam als dritter Quarterback nach den Legenden Joe Montana und Steve Young aufgestellt und versuchte, sich darüber zu freuen, dass das eigene Team gerade den Super Bowl gewonnen hat.
»Und nebenbei bemerkt«, füge ich hinzu, »war es gar nicht so lustig, mit Josh rumzuhängen.«
Das stimmt. Er hat immer eine Sonderbehandlung erwartet, weil sein Paps ja schließlich die Firma leitete. Hat nie an die Geburtstage von anderen gedacht und jedes Mal einen Koller bekommen, wenn jemand seinen vergessen hatte; und er hat ständig einen auf Märtyrer gemacht.
Als es allerdings daranging, für die Sache einzustehen und sich kreuzigen zu lassen, hat Josh definitiv gepunktet. Dafür hat er sich auf ewig meine Anerkennung verdient.
Als Sara mit der Untersuchung meines Menschenanzugs und der Fragerei über die letzten fünfzigtausend Jahre meiner Existenz fertig ist, bin ich überzeugt, dass ich ihr genug Stoff zum Nachdenken gegeben habe. Darüber hat sie sicherlich ganz vergessen, dass ich Gott auf der Kurzwahltaste gespeichert habe. Und dann fragt sie: »Also, wann kann ich Jerry treffen?«
Eine unsterbliche Wesenheit zum Freund zu haben ist anscheinend noch nicht genug.
37
E s ist kurz nach Mitternacht. Ich sitze an meinem Rechner, weise meinem Anteil unter den zweihundertfünfzigtausend Babys, die heute zur Geburt vorgesehen sind, Schicksale zu und lese dabei einen Artikel über Schicksal und Bestimmung auf Wikipedia, als ich eine weitere Mitarbeiter-E-Mail von Jerry bekomme:
Dringendes Memo! Bitte lesen!
Wahrscheinlich ist es wieder mal nur Spam, und Jerry warnt uns vor einem Computervirus oder will uns mitteilen, dass uns eine Geldprämie winkt, wenn wir zum Test für ein E-Mail-Nachverfolgungssystem von Microsoft/ AOL Mitteilungen weiterleiten. Aber da sein großes Projekt ansteht, kann ich es nicht riskieren, die Nachricht zu ignorieren. Am Ende müsste ich vielleicht feststellen, dass ich das Memo über die Apokalypse verpasst habe. Also bringe ich es lieber gleich hinter mich.
Zuerst denke ich, es ist eines dieser spirituellen Memos, die Jerry ab und zu rausschickt, um uns an seine Herrlichkeit zu erinnern: Es fängt mit ziemlich religiös klingendem Geschwafel über den Messias an. Bald wird mir jedoch klar, dass die Sache ernst gemeint ist. Ich lese es noch einmal:
MEMO
An diesem Tag sei verkündet, dass die Wiederkehr des Messias bevorsteht. Obwohl der genaue Zeitpunkt und der Ort noch zu bestimmen sind, ist die Zeit für einen neuen Erlöser nah. Er wird unter den Sterblichen geboren werden, um sie mit Weisheit und mit Geduld und, wie ich hoffe, mit Humor anzuleiten.
Ab sofort
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