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Schicksal!

Schicksal!

Titel: Schicksal! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.G. Browne
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»Hast du dich wirklich in Luft aufgelöst?«
    Nachdem ich mich unzählige Jahrhunderte mit Menschen beschäftigt habe, habe ich etwas Entscheidendes über menschliche Frauen gelernt: Es gibt gewisse Fragen, die man niemals ehrlich beantworten sollte.
    Sehe ich fett aus?
    Stellst du dir vor, wie du Sex mit anderen Frauen hast?
    Hast du dich wirklich in Luft aufgelöst?
    Obwohl ich vermute, dass es Situationen gibt, in denen zumindest bei den ersten beiden Fragen Ehrlichkeit angebracht ist – bei einem All-You-Can-Eat-Buffet zum Beispiel oder in der Playboy-Villa –, erklärt es sich bei der letzten Frage von selbst: Ehrlichkeit ist hier keine Option. Auf der anderen Seite erscheint es mir absolut unmöglich, die Worte zu finden, um Sara anzulügen. Denn ich weiß: Wenn ich ihr nicht die Wahrheit sage, wird jede Zukunft, die wir miteinander haben, höchstwahrscheinlich aus vielen Gesprächen und weniger Sex bestehen.
    Also nicke ich nur.
    »Wie ist das möglich?«, will Sara wissen.
    Ich könnte über die physikalischen Grundlagen des molekularen Transports referieren und darüber, wie meine genetische Struktur es mir ermöglicht, die Welt und das Sonnensystem in Lichtgeschwindigkeit zu bereisen. Aber das würde womöglich nur noch mehr Fragen aufwerfen, und die Geduld für ellenlange naturwissenschaftliche Erklärungen habe ich auch noch nie gehabt. Also entschließe ich mich stattdessen, es ihr vorzuführen.
    »So«, antworte ich.
    Als ich einen Moment später hinter Sara wieder erscheine und ihr auf die Schulter klopfe, schreit sie, dreht sich auf dem Absatz um und fällt ohnmächtig zu Boden wie ein nasser Sack.
    Okay, das war anscheinend keine so gute Idee.
    Als Sara ein paar Minuten später auf der Couch zu sich kommt, lege ich mein charmantestes Lächeln auf und hoffe, dass sie nicht schreit, die Polizei ruft oder mir ins Gesicht tritt. Klar, ich hab noch neun Monate Garantie auf meinen Menschenanzug, aber Zahnersatz ist dabei nicht mit abgedeckt.
    »Ist das wirklich passiert?«, fragt sie.
    Ich nicke und lächle vorsichtshalber weiter.
    »Und du kannst das machen, wann immer du willst?«, erkundigt sie sich. »Du kannst hingehen, wohin du willst? Einfach an einem Ort verschwinden und am nächsten wieder auftauchen?«
    Ich nicke erneut.
    Einige lange Momente vergehen, in denen Sara keinen Ton von sich gibt, sondern mich nur anstarrt. Ihr Gesichtsausdruck ist so unergründlich wie ihre Zukunft. Kein Muskel bewegt sich. Sie blinzelt kaum. Als ich gerade überlege, ob sie unter Schock steht, sagt sie: »Nun, das erklärt zumindest, warum du mich nie gebeten hast, dich vom Flughafen abzuholen.«
    Ich lache laut auf und glaube für einen kurzen, tröstlichen Augenblick, dass nun alles in Ordnung kommen wird. Dass ich ihr nicht alle Geheimnisse meiner Existenz verraten muss. Bis ich feststelle, dass Sara nicht lacht, sondern mich noch immer mit dem gleichen rätselhaften Ausdruck anstarrt.
    »Kommst du von einem anderen Planteten?«, fragt sie.
    »Nein«, versichere ich. »Ich komme nicht von einem anderen Planeten.«
    Wie erklärt man jemandem, dass man vom Äther des Universums abstammt, ohne wie ein Verrückter zu klingen?
    Ich hoffe nur, dass sie mich nicht fragt, ob ich menschlich bin.
    »Bist du ein Mensch?«, fragt sie.
    Ich schinde Zeit, indem ich nicht sofort antworte, und hoffe wider besseres Wissen, dass sie darüber die Frage vergisst.
    »Sergio?«
    Ich könnte einfach von hier verschwinden, mich irgendwo verstecken und darauf warten, dass sich der Sturm irgendwann von selbst legt.
    »Sergio?«
    Ich könnte um eine Naturkatastrophe zur kurzfristigen Ablenkung beten. Aber Jerry will bestimmt eine Erklärung für diese Bitte, und ich hasse Papierkram.
    »Sergio!«
    »Nein«, sage ich. »Ich bin kein Mensch.«
    Der Ausdruck auf ihrem Gesicht verrät mir, dass sie mit dieser Antwort nicht gerechnet hat.
    »Was bist du dann?«
    Also erzähle ich es ihr. Alles. Über meine Existenz und meine Fähigkeiten. Über meine Vergangenheit und meine Zukunft. Über meinen Menschenanzug und die Serie meiner erotischen Affären. Sicher – herauszufinden, dass dein Freund mit mehr als einhunderttausend Frauen Sex gehabt hat, kann ein wenig niederschmetternd sein. Aber es ist mir lieber, sie erfährt es von mir.
    »Einhundert
tausend?
«, fragt sie.
    Ich zucke mit den Schultern. »So mehr oder minder.«
    Ich meine, mal ehrlich. Der Homo sapiens ist vor etwa zweihunderttausend Jahren zum ersten Mal in Erscheinung

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