Schicksalsbund
männlichen Welt groß geworden. Sie hatten zusammengehalten und waren weitgehend einer Meinung gewesen. Sie hätte wissen müssen, dass Javier die Haussprechanlage einschalten und versuchen würde, Informationen aus ihr herauszuholen. Er sah sein Vorgehen ebenso wenig als illoyal an, wie Kane seine Handlungen als Verrat empfand. Alles in ihrer Familie schien unter dem Vorwand zu geschehen, andere zu beschützen. Sie wünschte, Rhianna wäre da. Rhianna war ganz anders und benahm sich oft mehr wie ein Wildfang. Sie war auch reizbarer, aber wenigstens verstand sie Jaimies Standpunkt.
Jamie presste sich die Fingerspitzen auf die Augen, saß still da und wünschte, sie wäre wieder allein.
9.
MACK STAND AM Fenster und starrte auf die weißen Schaumkronen der Wellen hinaus, die unten gegen den Kai schlugen. Jaimie hatte ihn verlassen, das stimmte schon, aber sie hatte sich in Gefahr gebracht, weil sie das Gefühl hatte, sie alle beschützen zu müssen. Er schluckte mühsam den Kloß in seinem Hals. Das sah Jaimie wieder mal ähnlich – Jagd auf jeden zu machen, der ihre Familie bedrohte. Er hätte es wissen müssen. Kane hatte es gewusst, aber Kane war nicht zu ihm gekommen. War er wirklich so arrogant und so stur, dass er nicht auf die Menschen gehört hätte, aus denen er sich mehr als aus allen anderen machte?
Es hatte ihn enorm verletzt, dass sie ihn verlassen hatte. Er war fassungslos gewesen – total schockiert. Restlos überrumpelt. Und bei ihm fand Gekränktheit ihren Ausdruck immer in Wut. Er war nach Hause gekommen, und sie war fort gewesen. Nichts war ihm geblieben. Er war nie auf den Gedanken gekommen, dass sie jemals nicht bei ihm sein könnte. Dass er sich nachts ins Bett legen und keinen Schlaf finden würde. Dass ihm sein leeres Haus verhasst sein würde. Dass er lauschen und sich nach dem Klang ihres Gelächters sehnen würde. Ihm war nicht klar gewesen, wie oft er sich an sie wandte, um mit ihr über jedes erdenkliche Thema zu diskutieren, und wie sehr er sich auf ihre Kenntnisse verlassen hatte.
Jaimie war ebenso sehr ein Teil von ihm gewesen wie sein Atem. Und dann war sie verschwunden, und er hatte nicht verstanden, warum.
Mack fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und stellte überrascht fest, dass seine Hand zitterte. Sein blöder Stolz hatte es ihm nicht gestattet, ihr nachzulaufen. Etwas anderes war es nicht gewesen. Nur sein Stolz. Und sein Ego. Jaimie hätte ihn anbeten sollen, und er hatte nicht glauben wollen, dass sie auf sich selbst gestellt und ohne ihn zurechtkam. Er war sicher gewesen, dass sie zurückkommen würde – aber das hatte sie nicht getan. Sie war ihren eigenen Weg gegangen und hatte, was die Sache noch schlimmer machte, auch keinen Kontakt zu ihm aufgenommen, um ihn darüber zu informieren, wo sie war. Auch das war ein harter Schlag gewesen – sie suchen zu müssen und dafür den Dienstweg zu benutzen, denn daher hatten alle gewusst, dass er außer sich war, und sie hatten gewusst, dass er sie greifbar haben musste. Das war schon für sich allein genommen demütigend gewesen. Der Sergeant Major hatte ihn zweimal zu sich bestellt und ihn gefragt, ob er seiner Arbeit noch gewachsen sei.
Er schüttelte den Kopf. Er hätte die Dinge ganz anders handhaben müssen. In der Nacht jenes ersten Zusammenstoßes mit Doomsday war sie derartig traumatisiert gewesen. Und er hatte sich so schuldig gefühlt, als ihm klargeworden war, dass alle, die ihm wichtig waren, hätten draufgehen können. Drei seiner Männer waren schwer verwundet worden. Dafür trug er und kein anderer die Verantwortung. Es war ihm absolut unsinnig erschienen, dass Jaimie ausgerastet war und sich über Verschwörungen ereifert hatte. Er war in seinem Schuldbewusstsein versunken und hatte es nicht erwarten können,
alle, darunter auch Jaimie, ärztlich versorgen zu lassen. Sie hatte Gehirnblutungen gehabt und war in einem grauenhaften Zustand gewesen. Er war sicher gewesen, auch sie würde er verlieren. Er hatte gewollt, dass sie Ruhe gab.
Mack schüttelte erneut den Kopf und schlug sich die Hände vors Gesicht; er konnte sich nicht einmal mehr genau daran erinnern, was er zu ihr gesagt hatte. Als sie verstummt war, war er froh gewesen, nicht besorgt. Oder alarmiert. Und dann diese leise Frage: »Wohin führt unsere Beziehung überhaupt, Mack? Zu einem Zuhause? Einer Familie? Kindern? Die Grundlage für all das ist Vertrauen.«
Er hatte »Kinder« gehört. Er hatte sie gefragt, ob sie schwanger
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