Schicksalsfäden
Victoria drängend, als sie merkte, dass ihre Schwester immer noch zögerte. »Das bist du mir schuldig.«
»Gut, Schwesterchen, ich verspreche es dir.« Sie lehnte sich zurück und streckte die Füße aus. »Und jetzt bring mir bitte den Hocker da, ich muss meine Beine hochlegen.«
Victoria zog ihrer Schwester die Schuhe aus und schob den Hocker zurecht. Sie spürte die ganze Zeit dass Vivien sie neugierig musterte.
»Du hast noch gar nichts von deinem Verhältnis zu Mr. Morgan erzählt.«
»Und du hast mir noch nicht erzählt, worüber ihr gesprochen habt als er hier war.«
Vivien lachte über Victorias misstrauischen Gesichtsausdruck. »Er hat nicht viel von dir gesprochen, aber das wenige war sehr vielsagend. Also raus mit der Sprache, Victoria, steht er seinen Mann bei dir?«
Victoria errötete und nickte nach einem kurzen Zögern. »Und er hat mir einen Antrag gemacht.«
»Hast du ihn angenommen?«
Wieder dauerte es einige Augenblicke, ehe Victoria reagierte und den Kopf schüttelte. »Ich weiß nicht ob es das Richtige für uns beide wäre.«
»Ach du lieber Gott«, stöhnte Vivien und verdrehte die Augen zur Decke. »Mit anderen Worten, du denkst wieder zu viel, wie immer. Also gut lass hören: was hast du diesmal für Bedenken?«
Es tat Victoria gut sich einmal so richtig auszusprechen, und sie merkte sehr schnell, dass ihre anfänglichen Zweifel an Vivien unbegründet waren. Ihr konnte sie wirklich vertrauen. Sie hörte aufmerksam zu und schien Victoria zu verstehen, auch wenn sie ganz anders dachte als ihre Schwester. »Ich weiß nicht, ob Vater diese Heirat gutheißen würde. Ich weiß nicht ob das Leben, das ich dann führen würde, das richtige für mich wäre. Mr. Morgan ist ein so außergewöhnlicher Mann … ich denke die ganze Zeit, dass er was Besseres als mich verdient hat. Und wir sind so verschieden, was Temperament Charakter und Herkunft betrifft. Eigentlich passen wir überhaupt nicht zusammen, verstehst du?«
»Und warum hast du seinen Antrag dann nicht einfach abgelehnt?«
»Weil ich ihn trotz allem liebe. Ich habe doch nur Angst dass wir nicht zusammen passen.«
Victoria schüttelte den Kopf. »Jetzt lassen wir mal diesen ganzen Unsinn beiseite. Denn es geht nicht darum, ob ihr dieselben Interessen habt. Auf so etwas kann man sich einstellen. Er ist ein liebenswerter Mann mit Vermögen, was kann daran falsch sein, ihn zu heiraten? Nur du wälzt wie immer so lange deine Zweifel herum, bis alles zehnmal so kompliziert erscheint, als es sein müsste. Genau wie Vater!«
Victoria versteifte sich. »Sag nichts gegen Vater! Er war ein wunderbarer Mann!«
»Ja natürlich, Schwesterchen … ein wunderbarer, tugendhafter, einsamer Märtyrer, der sich nach dem Tod von Mama in sein sicheres Schneckenhaus zurückgezogen hat. Und du bist mit ihm in dieses Schneckenhaus gezogen und hast dich von all dem ferngehalten, was das Leben lebenswert macht. Bist wie er geworden und hast dich hier zwischen Büchern vergraben … begraben wäre besser!«
»Du verstehst das nicht …«, protestierte Victoria schwach, aber ihre Schwester unterbrach sie sofort.
»Ach, ich soll dich nicht verstehen? Ich verstehe dich ganz genau! Es war ja so einfach und sicher, hier zu bleiben, der Welt auszuweichen. Und so gefährlich, da draußen vielleicht jemandem zu begegnen und sich zu verlieben – immer mit der Möglichkeit ihn wieder zu verlieren. Davor hast du dich immer gefürchtet. Weil Mama dich verlassen hat, denkst du, jeder andere würde dich auch verlassen!«
Victoria wusste, dass Vivien die Wahrheit sagte, aber damit konfrontiert zu werden schmerzte sie. Sie sah ihre Schwester stumm an und Tränen traten ihr in die Augen. »Wahrscheinlich …«, begann sie, aber ihre Stimme versagte. Es stimmte, seit ihre Mutter sie verließ, hatte sie niemandem mehr vertraut hatte sie niemanden mehr lieben können. Und dann war Grant gekommen …
Er verdiente ihr Vertrauen, das wurde ihr in diesem Augenblick bewusst. Er verdiente ihre bedingungslose Liebe.
Sie musste nur die Kraft finden, sie ihm zu geben.
»Als Vater noch lebte, war alles so einfach«, sagte Victoria plötzlich tonlos. »Ich musste nie nachdenken über das, was ich tat. Wir waren uns selbst genug und merkten nicht wie einsam wir eigentlich waren. Aber nachdem er gestorben war …« Sie biss sich auf die Lippen und ließ ihren Tränen jetzt freien Lauf.
Seufzend stand Vivien auf, holte ein Taschentuch aus der Kommode und hielt es
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