Schicksalsfäden
Sie wollen also ein Geständnis ablegen?«
»So ähnlich.«
Er setzte sich in einen Sessel und zog sie auf seinen Schoß. »Na, dann raus mit der Sprache, Mylady. Wenn Sie nichts verschweigen und mit mir zusammenarbeiten, lasse ich vielleicht mildernde Umstände gelten.«
»Grant, lass das!«, rief sie, als er eine Hand unter ihrem Kleid auf ihr Knie wandern ließ. »Wenn jemand reinkommt?«
»Na und? Ich bin ein frisch verheirateter Mann, der verrückt nach seiner Frau ist! Na gut«, er zog die Hand wieder weg, »ich werde mich zusammenreißen. Worum geht’s also?«
Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und sah ihm tief in die Augen. »Ich habe heute nach Dr. Linley schicken lassen.«
Ein besorgter Ausdruck trat auf Grants Gesicht. »Dr. Linley?«
Victoria nickte. »Weißt du, ich hab mich in letzter Zeit so seltsam gefühlt aber dir nichts davon erzählt um dich nicht zu beunruhigen.«
Doch Grant war beunruhigt. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und er fragte bang: »Victoria, bist du krank?«
»O Grant, nein. Ich bin nicht krank. Ich bin nur schwanger!« Wie zur Beruhigung rieb sie mit ihrer Hand über seine Brust. »Du musst dir keine Sorgen machen. Wie werden nur ein Kind haben, Grant..«
Die Erleichterung war ihm anzusehen. Seine Augen leuchteten und wurden feucht. Er zog sie an sich und vergrub sein Gesicht an ihrer Brust. »O Gott Victoria!«, stammelte er gerührt.
»Und wie fühlst du dich bei dem Gedanken, die Familie zu vergrößern?«
»Es ist ein Wunder!«, rief er. »Ein verdammtes Wunder!«
Sie lächelte. »Ein ziemlich häufiges Wunder, das in den besten Familien vorkommt.«
»Trotzdem ein Wunder!« Grant rückte etwas von ihr ab und betrachtete ihren schlanken Körper. Er versuchte sie sich mit dickem, rundem Bauch vorzustellen, aber es gelang ihm nicht besonders gut. »Und wie fühlst du dich?«
Ihre Finger strichen zärtlich über seine Wangen. »Ungeduldig. Ich kann es kaum erwarten, unser Kind in den Armen zu halten.«
Allerdings stellte sich heraus, dass Victoria und Grant viel früher als erwartet ein Kind in ihren Armen hielten.
Kaum einen Monat später unterbrach Mrs. Buttons das Paar beim Dinner. Sie sah etwas verwirrt drein, als sie sagte: »Lady Morgan, da … da ist ein Paket für Sie gekommen … aus Italien.«
»Jetzt noch?«, fragte Victoria und tauschte einen überraschten Blick mit ihrem Mann. »Wohl ein Geschenk von meiner Schwester. Wie schön. Ihr letzter Brief liegt schon über einen Monat zurück. Liegt ein Schreiben bei dem Paket, Mrs. Buttons?«
»Schon, aber …«
Dann bringen Sie mir bitte den Brief und legen Sie das Paket in die Bibliothek. Wir öffnen es dann nach dem Dinner.«
Bevor die Haushälterin etwas sagen konnte, drang ein hohes, kräftiges Schreien von draußen ins Esszimmer. Im ersten Moment dachte Victoria, es könnte von einer Katze stammen, doch plötzlich wusste sie es besser.
Grant sprang auf und wischte sich gleichzeitig mit der Serviette den Mund ab. »Ich glaube, wir sollten dieses spezielle Geschenk lieber gleich öffnen.« Mit schnellen Schritten verließ er den Raum.
Victoria saß immer noch wie versteinert am Tisch. Dann runzelte sie die Stirn und sagte wie zu sich selbst: »Ein Baby?« Sie sah Mrs. Buttons an.
Diese nickte. »ja, Mylady. Ein Baby. Zusammen mit einem Kindermädchen, das kein Wort Englisch spricht.«
Mit einem »O mein Gott!« stürmte Victoria ihrem Mann nach.
Draußen in der Eingangshalle standen mehrere Bedienstete um eine dunkelhaarige junge Frau herum, die ein heulendes Bündel im Arm hielt. Die junge Frau war selbst kurz davor, in Tränen auszubrechen. Als sie Victoria sah, rief sie »Signora!«, kam auf sie zu und begann wie ein Wasserfall zu reden.
Victoria verstand kein Wort und legte ihr nur eine Hand auf die Schulter. »Schon gut schon gut«, sagte sie und hoffte, dass der Klang der Worte die Frau beruhigen würde. »Danke, dass Sie uns das Kind wohlbehalten gebracht haben. Sie müssen hungrig sein nach so einer langen Reise.« Sie gab Mrs. Buttons ein Zeichen, die sofort einem Mädchen Anweisung gab, ein Gästezimmer zu bereiten. Victoria deutete auf das schreiende Kind und fragte die junge Frau: »Darf ich?«
Die Frau schien zu verstehen und reichte, ihr das Bündel. Vorsichtig hielt Victoria das Baby in ihren Armen und betrachtete das kleine, von roten Locken umrahmte Gesichtchen. Das war unverkennbar Viviens Kind, dachte sie.
»Oh, du süßes kleines Ding«, sagte sie beglückt. »Du
Weitere Kostenlose Bücher