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Schicksalsfäden

Schicksalsfäden

Titel: Schicksalsfäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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träge wanderten Wolken über sie hinweg. Zunächst hatte sie sich an den Steintisch gesetzt und ein wenig gelesen, dann war sie umhergewandert und hatte sich an den verschiedenen Blumen erfreut. Flieder, Jasmin und Geißblatt standen in voller Blüte und erfüllten die Luft mit einem süßen Hauch. Wenn man in dieser kleinen, abgeschlossenen bunten Welt war, schien die Stadt weit entfernt zu sein. Doch diese Umgebung erinnerte sie auch an White Rose Cottage und verstärkte den Wunsch, dorthin zurückzukehren. Sie fragte sich, wie es ihrer Schwester ging.
    »Was machst du hier draußen?«
    Victoria erkannte die Stimme sofort und drehte sich freudig um.
    Grant kam lächelnd auf sie zu, setzte sich in einen anderen Stuhl am Steintisch ihr gegenüber und nahm ihre Hände in seine. »Du siehst müde aus, Liebste. Kein Wunder, wir hatten ja letzte Nacht nicht allzu viel Schlaf.« Er zwinkerte Victoria schelmisch zu. »Leg dich doch etwas hin«, schlug er vor. »Heute Nachmittag musst du noch eine Aussage im Revier zu Protokoll geben und da solltest du hellwach sein.«
    Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihre Wange. »Ich kann nicht schlafen. Mir geht einfach zu viel im Kopf herum.«
    »An was denkst du?«
    »Ich vermisse meine Schwester. Ich vermisse Forest Crest.«
    Ein kühler Wind kam auf, und Grant erhob sich, um ihr seinen Mantel über die Schultern zu legen. Der Mantel roch nach ihm und Victoria zog ihn möglichst eng an sich. Dann hörte sie seine samtene Stimme hinter ihr sagen:
    »Nachdem du deine Aussage gemacht hast fahren wir nach Forest Crest und bleiben so lange du willst. Einverstanden?«
    »Das ist sehr lieb, Grant aber … ich glaube, es wäre besser, wenn ich allein fahren würde. Ich muss mir über einiges klar werden, und wenn du dabei bist kann ich nicht klar denken.«
    Eine Zeit lang sprach niemand. Sie hörte ihn hinter sich schwer atmen, spürte, wie sich der Griff seiner Hände auf ihren Schultern verstärkte. Dann sagte er: »Worüber genau musst du dir klar werden?«
    Achselzuckend antwortete sie: »Über mich, über meine Vergangenheit und meine Zukunft.«
    Seine Finger wanderten an ihrem Hals entlang, bis sie unter ihrem Kinn lagen. Er beugte sich vor und hob gleichzeitig ihren Kopf, sodass sie ihn ansehen musste. »Du meinst deine Zukunft mit mir?«
    »Für mich ist seit einem Monat nichts mehr, wie es war. Ich muss deshalb einfach über vieles nachdenken, verstehst du das nicht?«
    Er stieß einen frustrierten Seufzer aus, kam um sie herum und nahm sie in seine Arme. »Ich verstehe dich ja, ich versuche es zumindest aber mit gefällt einfach die Vorstellung nicht dass du allein in Forest Crest bist. Wer soll dich da beschützen?«
    Victoria konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Grant anders als meine Schwester hatte ich mein ganzes Leben keine Beschützer.«
    »Aber jetzt hast du einen.«
    »Lass mich bitte trotzdem allein nach Forest Crest gehen.«
    Sie lächelte immer noch, aber er konnte ihr Lächeln nicht erwidern. Zu groß war seine Angst dass sie sich dazu entschließen könnte, ihn nicht zu heiraten, wenn sie erst einmal in ihrer alten Umgebung sein würde. Wenn sie sich nach einem friedlichen Leben auf dem Lande sehnte, wäre er der falsche Mann für sie, aber er wollte verhindern, dass sie überhaupt auf solche Gedanken kommen konnte. Er war kein perfekter Mann und würde es nie sein, das wusste er.
    »Also gut«, sagte er schließlich mit schwerer Stimme. »Du machst heute Nachmittag deine Aussage und danach fährt dich einer meiner Lakaien nach Forest Crest. Und in einer Woche komme ich nach.«
    »Nach einer Woche schon, aber ich brauche etwas mehr …« Victoria unterbrach sich, weil ihr plötzlich klar wurde, dass jeder Widerspruch sinnlos sein würde. »Einverstanden«, sagte sie nur.
    Ein neuer bedrohlicher Gedanke kam Grant in den Sinn. »Du wirst doch nicht etwa alte Verehrer in Forest Crest besuchen, oder?«
    »Nein, Mr. Morgan, ich hatte nie Verehrer aus dem Dorf.«
    »Keine Verehrer? Was ist bloß mit diesen Landeiern los?«
    Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Ich hatte keine Zeit für Verehrer, weißt du. Ich musste mich um meinen Vater kümmern und Bücher lesen … aber im Grund habe ich nur auf dich gewartet.«

Kapitel 19
    Als White Rose Cottage am Ende der Straße in Sicht kam, ließ Victoria den Kutscher anhalten. Die letzten Meter wollte sie zu Fuß gehen. Alles kam ihr so bekannt vor: die ungepflasterte Straße, die alten Bäume am

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