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Schicksalsfäden

Schicksalsfäden

Titel: Schicksalsfäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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hochhob, schnappte sie nach Luft. Grant hatte schon einige Frauen so gehalten, aber keine war so gut gebaut gewesen.
    Zurück im Schlafzimmer legte Grani Vivien behutsam aufs Bett und schob ihr ein paar Kissen in den Rücken. Sie zog die Decken hoch über ihre Brust. In diesem Moment ertappte sich Grant der Mann mit dem Herzen aus Granit dabei, diese Frau beschützen und wärmen zu wollen.
    »Möchten Sie etwas essen?«, grummelte er.
    »Eigentlich nicht.«
    »Ich möchte aber, dass Sie etwas essen, wenn das Mädchen Ihnen etwas bringt.«
    Der Befehlston ließ sie aus irgendeinem Grund lächeln. »Ich werde mein Bestes geben.«
    Grant war von ihrem geheimnisvollen, warmen Lächeln wie gebannt. Sie war so anders als die Frau, die er bei Wentworth’ Ball kennen gelernt hatte, dass er sich kurz fragte, ob sie nicht vielleicht doch jemand anders … Nein.
    Es war Vivien. Unverkennbar.
    »Grant«, sagte sie zögernd. »Würden Sie mir bitte einen Spiegel bringen? Ich wüsste sehr gern, wie ich aussehe.«
    Irgendwie konnte er sich von ihrem Anblick losreißen und zu der Kommode in der Ecke des Zimmers gehen. Er kramte in den Schubladen, bis er ein Necessaire mit Feilen, Nagelscheren und einem im Deckel eingelassenen Spiegel fand. Er kehrte damit zum Bett zurück.
    Vivien nahm das Necessaire entgegen und versuchte es so zu halten, dass sie ihr Gesicht im Spiegel sehen konnte, aber sie zitterte zu stark. Grant streckte die Hand aus und stützte ihre Hand und das Necessaire, während sie sich betrachtete. Ihre Hände fühlten sich kalt und steif an.
    Vivien hielt den Atem an. Dann sagte sie: »Es ist so seltsam, wenn man sein eigenes Spiegelbild nicht erkennt.«
    »Sie können sich nicht beklagen«, sagte Grant, denn so geschunden sie war, ihr Gesicht war unvergleichlich schön.
    »Meinen Sie?« Ihr Blick in den Spiegel zeigte nicht die Spur von Selbstzufriedenheit die sie noch auf dem Ball zur Schau getragen hatte.
    »Nicht nur ich. Ganz London weiß schließlich um Ihre Schönheit.«
    »Dafür gibt es keinen Grund. Ich kokettiere nicht ich finde nur, ich habe ein ganz gewöhnliches Gesicht.« Sie zog eine Grimasse wie ein Kind und lachte auf. »Dieses Gesicht scheint mir nicht zu gehören.« Ihre Augen glitzerten, und Grant wurde plötzlich bewusst dass Vivien jeden Augenblick in Tränen ausbrechen könnte.
    »Bitte nicht«, sagte er. »Sie wissen, dass ich Frauen nicht weinen sehen kann.«
    »Ja, ich weiß.« Sie wischte sich über die feuchten Augen und lächelte dann sogar. »Ich hätte nicht gedacht dass Bow-Street-Runner so sensibel sind.«
    »Sensibel?«, fragte Grant. »Ich bin so hart im Nehmen, wie man nur sein kann.« Spielerisch schlug er mit einem Zipfel des Lakens nach ihr.
    »Tatsächlich?« Sie verbarg ihr Gesicht bis auf die Augen hinter der Decke. »Sie scheinen mir aber eher eine harte Schale und innen einen weichen Kern zu haben.«
    Grant wollte sich gerade verteidigen, als er merkte, dass sie ihn aufzog. »Ach was, ich bin ungefähr so sensibel wie ein Mühlstein.«
    »Ich hab da meine eigene Meinung.« Sie schloss das Necessaire. »Ich hätte nicht nach einem Spiegel fragen sollen.«
    Grant bemerkte, dass ihre Lippen rau und aufgesprungen waren. Er nahm ein kleines Gefäß mit Salbe vom Nachttisch und reichte es Vivien. »Versuchen Sie mal das hier«, sagte er zu ihr. »Das ist Linleys Spezialmischung gegen Blutergüsse, Schürfwunden, raue Haut …«
    »Davon könnte ich einen ganzen Eimer gebrauchen«, sagte sie, als sie den Tiegel entgegennahm und versuchte, den Deckel zu öffnen.
    Grant nahm ihr das Gefäß wieder aus der Hand, löste den Verschluss und behielt es dann in der Hand. »Sie zittern nicht mehr so wie heute Morgen«, stellte er fest.
    Vivien nickte. »ja, aber ich werde immer noch nicht warm.« Sie rieb sich mit den Händen über die Arme. »Ich würde gern … Ich meine, wären es zu große Umstände …«
    »… Ihnen ein heißes Bad zu bereiten?«
    »O ja!« Die freudige Erwartung in ihrer Stimme ließ ihn lächeln.
    »Dafür kann gesorgt werden. Aber Sie müssen sich ganz vorsichtig bewegen und sich von den Mädchen helfen lassen. Oder von mir, wenn Sie das wünschen.«
    Vivien starrte ihn an. Das Angebot schien sie zu verwirren. »Ich … Ich würde Ihnen nicht diese Mühe machen wollen«, stammelte sie.
    »Das wäre überhaupt keine Mühe«, sagte er sanft. Nur ein Glimmen in seinen Augen verriet, dass er diesmal sie aufzog.
    Vivien konnte einen kurzen Tagtraum nicht

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