Schicksalsfäden
unterdrücken. Sie sah sich von wohlig heißem Wasser umschmeichelt, während Grant ihren nackten Körper einseifte.
»Dass jemand so sehr erröten kann!«, sagte Grant, grinsend. »Wenn Ihnen jetzt nicht warm geworden ist, dann weiß ich nicht was ich noch machen soll.«
Er tat ein wenig Salbe auf seinen Finger und führte ihn an ihre Lippen. »Stillhalten!«
Vivien gehorchte und blickte Grant stumm ins Gesicht, während er vorsichtig ihre aufgesprungenen Lippen einstrich. Ihre Lippen saugten die Feuchtigkeit geradezu gierig auf und er tupfte seinen Finger noch mal in den Tiegel. In dem Zimmer war nichts zu hören außer Viviens tiefen Atemzügen.
Grant verspürte in seiner Brust den fast quälenden Dran& sie zu küssen, sie zu halten und zu wärmen, als wäre sie ein Kind, das sich verlaufen hatte. Er hätte niemals gedacht dass Vivien Duvall so liebenswürdig und verletzlich sein könnte. Aber wenn sie das nur spielte, würde er sie erwürgen.
Dann hielt er in seinen Gedanken inne und warnte sich selbst sich nicht von ihr beeindrucken zu lassen. Er würde genießen, dass sie ihn brauchte, aber er würde ihr nicht für eine Minute sein Herz öffnen. Den Ärger konnte er sich wirklich ersparen. Behutsam verteilte er die Salbe auf der Haut an ihrer Kehle. Vivien rührte sich nicht und starrte sein entschlossenes Gesicht immer noch an.
»Wir sind uns schon einmal begegnet nicht wahr? Ich meine vor der letzten Nacht.«
Er senkte die Augen. »Das kann man so sagen.«
Wieder berührten seine Fingerspitzen federleicht ihre wunde Haut.
Diese Berührung hatte für Vivien so etwas überraschend und verwirrend Vertrautes, dass sie sie nicht zu deuten vermochte. Aber sie fühlte sich sowohl bei ihm, so sicher. Dabei konnte sie sich bei gar nichts sicher sein, nicht einmal bei ihrem eigenen Gesicht. Würde sie sich so fühlen, wenn er ihr völlig fremd wäre?
»Wie gut haben wir uns damals kennen gelernt?«
»Darüber sprechen wir später.« Aber Grant hatte noch keine Ahnung, was er ihr später erzählen würde. In der Zwischenzeit würde sie sich unter seinem Schutz ausruhen und erholen.
Vivien ärgerte sich offensichtlich über sein Ausweichen, aber sie war wohl zu schwach, um darüber zu diskutieren, und deshalb ließ sie die Geschichte zunächst auf sich beruhen.
Grant sah auf seine Taschenuhr und war erstaunt, wie spät es schon war. »Ich muss zur Bow Street. Ich werde bei Ihnen zu Hause vorbeigehen und Ihnen ein paar Kleider mitbringen.«
Sie versuchte zu lächeln, aber ihr Blick war flehentlich. »Habe ich eine Familie oder Freunde, die mich besuchen könnten?«
»Ich weiß nichts über Ihre Familie, aber ich werde versuchen, etwas in Erfahrung zu bringen. Freunde haben Sie genug, aber es ist noch zu früh für Besuche. Sie brauchen Ruhe.« Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihre Stirn zu streicheln.
Vivien ließ sich erschöpft in die Kissen zurücksinken und schloss die Augen. »So viele Fragen«, seufzte sie.
»Ich werde bald eine Menge Antworten für Sie haben«, murmelte Grant und seine Stimme wurde kühl. »Und einige werden Sie gar nicht mögen.«
Ihr Blick war starr auf ihn gerichtet ihre Hand kroch an ihre Kehle. »Was ist mit mir letzte Nacht geschehen?«
»Genau das werde ich herausfinden«, sagte er mit einer Entschlossenheit, die keine Zweifel zuließ.
Die Bow Street war schon im 16. Jahrhundert angelegt worden. Viele Berühmtheiten hatten hier einst residiert aber seit einigen Jahren wurde die Straße vor allem mit einem Namen in Verbindung gebracht: Sir Ross Cannon.
Inzwischen waren er und seine sechs Runner und achtzig Helfer durch spektakuläre Aktionen weltberühmt geworden. Sie hatten die berüchtigtsten Kriminalfälle gelöst Aufstände niedergeschlagen und mehr als einmal das Leben der britischen Königsfamilie beschützt.
Nach Fieldings Tod vor fünf Jahren hatte man unter den größten Persönlichkeiten Englands nach einem geeigneten Nachfolger für das Amt des Polizeichefs gesucht. Und dann wurde es der relativ unbekannte Ross Cannon, der zuvor das Revier in der Great Marlboro Street geleitet, hatte. Doch Cannon war wie geboren für sein neues Amt.
Innerhalb kürzester Zeit hatte er Bow Street seinen ganz persönlichen Stempel aufgedrückt. Unter ihm entwickelte sich die Arbeit der Runner zu einer Wissenschaft. Er führte neue Methoden zur Überführung Verdächtiger ein. Sein frischer Schwung riss alle mit. Er verlangte viel, besonders von sich selbst aber es war
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