Schicksalsfäden
bewunderte die perfekte Harmonie ihres Körpers und die entschlossenen Bewegungen. Nachdem Vivien sich das Gesicht getrocknet hatte drehte sie sich mit einem Ruck um, sah Grant in die Augen, straffte ihre Schultern und fragte: »Soll ich wieder ins Bett kommen?« Der Satz klang, als würde sie sich einer lästigen Pflicht stellen.
Obwohl Grant sich genau das wünschte, überraschte ihn die Frage, und die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Das bin ich Ihnen wohl schuldig«, fuhr Vivien fort. »Sie haben mir das Leben gerettet Sie haben mich in Ihr Haus aufgenommen und mir Schutz gewährt. Und dann gibt es da noch unsere Vorgeschichte … Schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass wir miteinander schlafen. Unter diesen Umständen erscheint es mir heuchlerisch, mich weiter zu zieren. Wenn Sie also immer noch wollen, bin ich bereit.«
Wie eine Märtyrerin stand sie da, und die Aussicht in dieser Stimmung mit ihr zu schlafen, fällte seine Erektion wie einen Baum.
»Nein, vielen Dank«, grummelte er, »ich bin durchaus nicht bereit, mein Bett mit einem verdammten Opferlamm zu teilen.« Er schwang die Beine zur Seite und stand auf. Als sie dabei angesichts seiner Nacktheit errötete, schnaubte er verächtlich. »Ach, Vivien, diese jungfräuliche Schamesröte steht Ihnen einfach nicht. Sie vergessen, dass ich Sie schon vor Ihrem Gedächtnisschwund kannte.«
»Hören Sie auf! Was wollen Sie eigentlich wirklich von mir? Ich biete Ihnen meinen Körper an, aber das genügt Ihnen offensichtlich nicht. Wenn ich recht verstehe, erwarten Sie wohl noch mehr Begeisterung von mir, mehr Dankbarkeit.«
Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. »›Noch mehr Begeisterung‹? wiederholte er ätzend. »Wie die Jungfrau von Orleans auf den Weg zum Scheiterhaufen, was?«
In der Stille nach diesem Satz war die Spannung beinahe mit Händen zu greifen. Dann lag plötzlich eine Spur von Reue in Viviens schönem Gesicht und in ihren Augen blitzte der Schalk. Sie wandte sich ab, aber Grant konnte gerade noch das Schmunzeln auf ihren Lippen erkennen.
»Es tut mir Leid«, sagte sie mit unterdrücktem Lachen, »das war wohl nicht besonders schmeichelhaft, stimmt’s?«
»Wohl kaum«, sagte Grant und hätte ebenfalls grinsen müssen, wenn sein Schoß nicht immer noch geschmerzt hätte. Er legte sich wieder aufs Bett, drehte sich auf den Bauch und wartete, dass das Feuer in seinen Lenden erlosch.
Vivien kam ein paar Schritte auf das Bett zu, aber ein Blick von Grant genügte, um aufzuhalten. »Keinen Schritt weiter«, warnte er sie, »sonst komme ich doch noch auf die Idee, Sie zu pfählen.«
»Jawohl, Sir!«, sagte sie mit gespieltem Gehorsam. »Es ist wohl am besten, wenn ich meine Kleider nehme und mich im Nebenzimmer ankleide.«
»Das wird sicher das Beste sein«, stimme er mit einem tiefen Seufzer zu.
Vivien zog sich ein reich verziertes blaues Kleid aus Samt und italienischer Seide an. Es hatte lange Ärmel, die an den Oberarmen weit und bauschig und an den Unterarmen enganliegend waren. Sowohl an dem hochgeschlossenen Kragen als auch an den engen Ärmeln war feinste Brüssler, Spitze verarbeitet. Die Knöpfe am Rücken konnte sie trotz größter Verrenkungen nicht allein schließen. Mary würde später den Rest machen.
Dann öffnete sie ihr Haar, fuhr mit ihren Fingern durch die langen roten störrischen Locken und schlenderte auf den ovalen Spiegel zu, der an der mit Damast bespannten Wand hing. Das Kleid war sehr vorteilhaft, da es aufs schönste ihre blauen Augen betonte und außerdem zu ihren immer noch glühenden Wangen passte.
Als sie sich so sah, musste sie plötzlich an Grant denken, der immer noch im Nebenraum war, und ihr Atem beschleunigte sich unwillkürlich. Ihr Körper war erhitzt ihre Finger kalt. Ein inneres Feuer schien sie auszufüllen, ein Feuer der Aufregung und der tiefen Freude. Auch jetzt in diesem Moment noch spürte sie den Drang zu ihm zurückzugehen, sich von ihm berühren zu lassen, sein Gewicht auf ihrem Körper zu fühlen.
Natürlich hatte sie schon mit Männern geschlafen, aber sie konnte sich nicht mehr an den Akt selbst erinnern, wusste nicht mehr, was sie dabei abgesehen von den rein mechanischen Bewegungen eigentlich tun musste. Vorhin war sie so nervös gewesen wie beim ersten Mal, obwohl er doch so sanft und geduldig vorgegangen war. Beinahe hätte sie sich ihm mit Wonne hingegeben und hätte es sicher nicht bereut. Doch, dieser Grant Morgan konnte einer Frau gefallen, keine
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