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Schicksalsfäden

Schicksalsfäden

Titel: Schicksalsfäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Frage. Aber konnte man ihn auch lieben? Irgendeine Stimme tief in ihr sagte ihr dass sie den Mann, mit dem sie Sex haben wollte, wirklich lieben müsste. Das entsprach nicht gerade ihrem Lebensprinzip vor dem Gedächtnisschwund, das wusste sie. Kein Wunder, dass Grant dachte, sie würde nur irgendein dummes Spiel spielen. Wie sonst sollte man ihr merkwürdiges Verhalten deuten? Eine Hure, die zur Heiligen geworden war?
    Abgeschmackt und unsinnig.
    »Warum kann ich mich nur nicht erinnern?«, rief sie in ihrer Verzweiflung aus und presste sich die Fäuste an die Schläfen.
    Grant war auf dem Weg zur Bow Street. Er hatte nichts gefrühstückt und sich nicht einmal Zeit genommen, die Times zu lesen. Zu niemandem im Haus hatte er an diesem Morgen ein Wort gesagt obwohl er spürte, dass alle von der Szene im Schlafzimmer mit dem Hausmädchen wussten. Sogar Mrs. Buttons war so verdammt freundlich zu ihm gewesen. Zum Teufel, am liebsten hätte er irgendjemandem den Hals umgedreht.
    Im Bow-Street-Revier gab er seinen Mantel Mrs. Dobson und stürzte sich in die Arbeit und die Hektik des Büros.
    Wie jede Woche um diese Zeit arbeitete Sir Ross Cannon an der neuesten Ausgabe von The Hue and Cry, einer Fachzeitschrift, die sich mit derzeit flüchtigen Verbrechern und ihren Taten beschäftigte. Sie ging an Richter und hohe Polizeibeamte im ganzen Land.
    Auf dem Weg zu Cannons Büro kam dieser Grant schon entgegen und warf ihm mit einem »Gut dass Sie hier, sind« Stift und Block zu. »Werfen Sie hier mal einen Blick drauf«, forderte er Grant auf. »Das geht in zehn Minuten an den Drucker.«
    An eine Tür gelehnt überflog Grant das Papier, fügte an einigen Stellen Korrekturen ein und ging dann in Cannons Büro. Keyes stand am Schreibtisch und blätterte in einer Akte. Wie immer war er wie ein Dandy gekleidet: moosgrüne Hosen, cremefarbene Brokatweste und brauner Mantel, natürlich alles maßgeschneidert. Er hielt die Nase sehr hoch.
    »Guten Morgen« sagte Grant. Den Hue and Cry legte er auf Cannons Mahagoni-Schreibtisch.
    Statt einer freundlichen Antwort gab Keyes nur ein Grunzen von sich. Dann fand er offenbar die Passage, die er gesucht hatte, las sie, klappte die Akte wieder zu und schob sie ins Regal zurück.
    Grant beobachtete all dies von einem Stuhl neben Cannons Schreibtisch aus, in den er sich niedergelassen hatte.
    Dann entnahm er seiner Rocktasche das kleine, ledergebundene Buch, das er in Vivien Duvalls Haus gefunden hatte. Einige Sekunden starrte er es an, dann schlug er es auf und blätterte, suchte nach nützlichen Informationen und Anhaltspunkten. Eigentlich hätte ihn der Inhalt längst nicht mehr schockieren dürfen, aber die Kombination aus zarter weiblicher Handschrift und drastischen sexuellen Details wühlte ihn immer noch auf – gerade nach dem heutigen Morgen. Jedes Wort in dem Buch schien sich in seinem. Gedächtnis festzubrennen.
    »Was lesen Sie da?«, fragte Keyes in diesem Moment.
    »Nichts, was für Ihre zarten, sauberen Ohren bestimmt sein könnte«, sagte Grant mit einem humorlosen Grinsen.
    »Das kann ich schon selbst beurteilen«, schnauzte der ältere Kollege und pflückte das kleine Buch aus Grants Händen, als dieser nicht aufpasste. Keyes schlug es auf und hatte kaum zu lesen begonnen, als seine buschigen Augenbrauen wie Spinnen in Richtung Haaransatz kletterten. Er schien schockiert. »Was ist das für ein Dreck? Wer hat das geschrieben?« Angeekelt gab er Grant das Buch zurück.
    »Die Frau, die das geschrieben hat muss Sie nicht interessieren, Keyes. Sie ist eine Hexe, durch und durch verdorben. Ein Blick von ihr genügt und Sie wissen nicht mehr, wer Sie sind«, sagte Grant sichtlich amüsiert.
    »Hat das mit der Schlampe zu tun, die Sie unten am Fluss gefunden haben?« Keyes stellte die Frage wie nebenbei, aber seine Augen zeigten, dass er brennend interessiert war. »Ich hab Gerüchte gehört dass sie noch lebt und jetzt bei Ihnen im Haus wieder aufgepäppelt wird. Stimmt das?«
    Grant lehnte sich in seinem Stuhl zurück und blickte seinen Gegenüber lässig an. »Ach, Keyes, Sie wissen doch, wie das mit Gerüchten so ist.«
    »Haben Sie schon rausgefunden, wer sie ist? Kann sie Angaben zu dem Kerl machen, der sie umbringen wollte?«
    »Was interessiert Sie denn so an dem Fall, Keyes?«, fragte Grant argwöhnisch.
    »Nichts, Morgan. Ich biete Ihnen lediglich meine Hilfe an, falls Sie nicht weiterkommen. Schließlich haben Sie mich auch schon das ein oder andere Mal unterstützt.

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