Schicksalspfad Roman
Lebenslust. Grace spürte seine ungeheure Kraft und fühlte sich sehr klein. Als sie hinter Matt auf den Sattel gerutscht war, nahm er ihre Hand und legte sie um seinen Körper herum auf den lederbezogenen Sattelknauf, wo sie sich festhalten konnte. Es war für Grace die sexuell freizügigste Position, in der sie sich seit Garys Tod befunden hatte.
»Wir sind bald wieder da, Juan. Muchos gracias .«
»Okay.« Juan winkte ihnen nach.
Grace fand es sehr beunruhigend, so hoch über dem Erdboden zu sitzen - viel höher als auf Joannes Motorrad, und kaum weniger erschreckend. Wenn das Pferd nun plötzlich durchging, sich vor irgendetwas erschreckte und wie verrückt losraste? Aber nein, beruhigte sie sich, Matt schien zu wissen, was er zu tun hatte. Er ritt Pumpkin in einem langsamen Trab über das Feld, aber Grace war das immer noch zu schnell, denn ihr Kreuz tat jetzt schon weh. Am Rand des Waldes zügelte Matt das Tier. Pumpkin ging nun langsam über einen steilen, schmalen blumengesäumten Pfad. Grace atmete erleichtert auf und spürte nun stärker Matts Nähe. Sie hielt ihn wie umarmt und spürte einen süßlichen Geruch, eine Mischung aus seinem Schweiß, dem des Pferdes und Leder.
»Ich war früher ständig hier draußen«, sagte Matt. »Meine Mutter ritt auch gerne. Als ich klein war, ist sie ständig mit mir ausgeritten.«
»Was geschah mit ihr?«, fragte Grace, die sich dies schon öfter gefragt hatte, seitdem Matt zuerst im Krankenhaus
wieder aufgewacht war. »… hoffentlich haben Sie nichts dagegen, dass ich das frage?«
»Nein, ist schon in Ordnung. Sie war auf der Autobahn. Ein Betrunkener geriet auf ihre Seite. Es war ein Frontalzusammenstoß.«
»Oh, mein Gott, Matt. Das tut mir so leid!«
»Sie war sofort tot. Wir wurden von der Polizei benachrichtigt. Pa musste sie identifizieren. Er ließ mich nicht mitkommen. Ich war erst dreizehn und blieb allein zu Hause. Als Pa zurückkam, sah er aus wie ein Gespenst. Viele Leute in einer solchen Lage fangen an zu trinken, aber Pa nicht. Er hörte ganz damit auf. Ging viel öfter in die Kirche und trat einer Gruppe bei, wie heißen die noch, die nicht trinken.«
»Lassen Sie mich nachdenken«, sagt Grace. Sie duckte den Kopf vor einem niedrigen Zweig. Es war für sie inzwischen völlig normal, für ihn nach einem Ausdruck zu suchen. Seine Gedanken zu vervollständigen schien ihr ganz natürlich. »Abstinenzler?«
»Nein, es ist eher ein Wort wie …«
»Mütter gegen Trunkenheit am Steuer?«
»Genau«, sagte Matt und gab Grace mit einer Hand einen Klaps auf den Schenkel: eine freundschaftliche Berührung aus Dankbarkeit. »Er trat dem christlichen Abstinenzverein bei. Für mich sind das komische Kerle. Aber Wade ist bekannt dafür, dass er sich ab und zu einen genehmigt.«
Grace fragte sich, ob Matts Tollkühnheit etwas mit dem Tod seiner Mutter zu tun hatte, so, als müsste er ständig das Schicksal herausfordern, sich in Gefahr bringen und dann entkommen, als wollte er einen Ausgleich
schaffen. Noch ehe Pumpkin mit ihnen auf dem Hügel ankam, hörte Grace ein lautes Rauschen und spürte einen Windzug über sich. Einen Augenblick später tauchten sie aus dem Wald auf und standen am Rand eines Kraters, in dem sich vor Millionen von Jahren ein See gebildet hatte, in den sich vier schmale Wasserfälle ergossen. Sie lagen nur wenigen Meter nebeneinander etwa sieben Meter hoch über einer breiten Felswand. Unter dieser Klippe wuchsen sperriges Gras und verkrüppelte Bäumchen.
Grace war wie gebannt von diesem Anblick. Das Wasser übertönte alle anderen Geräusche.
»Können Sie das hören?«, fragte Matt mit lauter Stimme. »Daher heißt das hier Echo Falls. Das Geräusch bricht sich an den Felsen.«
Lauschend saßen sie auf dem ruhig dastehenden Pferd. Grace fiel auf, dass sie immer noch den Sattelknauf umklammerte, und legte die Hand stattdessen auf Matts Hüfte - nicht in intimer Weise, sondern rein freundschaftlich. Er schien nichts dagegen zu haben.
»Nur wenige Dinge sind schöner als ein Wasserfall«, sagte Matt.
»Ich stimme zu«, meinte Grace.
Da drehte Matt sich herum, so dass er sie von unter der Hutkrempe her ansehen konnte. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander getrennt.
»Ich habe die ganze Woche schon geplant, Sie hierher zu bringen.«
»Ich bin sehr dankbar.«
»Hoffentlich denken Sie nicht, dass ich Sie ignoriert habe. Aber ich musste Pa versprechen, nichts zu tun, was
Ihnen vielleicht unangenehm wäre. Daher
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