Schicksalspfad Roman
Jetzt lassen Sie mich Ihnen Ihr Zimmer
zeigen. Matt, bring der jungen Dame ein großes Glas kalte Limonade.«
»Das wäre wunderbar«, stimmte Grace zu.
Sie folgte Wade über den Flur zum zweiten Zimmer rechts.
»Ich habe es extra hübsch für Sie gemacht«, sagte Wade. In dem Zimmer standen ein Doppelbett mit einer kornblumenblauen Überdecke und dicken gelben Kissen, eine alte, stabile Kommode und ein kleiner hölzerner Schreibtisch mit Papier und Stiften.Vor dem Fenster hingen schneeweiße Vorhänge. Auf dem Schreibtisch lag außerdem ein Scheck über zwanzigtausend Dollar, der auf Grace ausgestellt war. Sie tat so, als hätte sie ihn nicht bemerkt.
»Sie haben auch Ihr eigenes Bad«, meinte Wade und zeigte auf die Tür neben dem Schreibtisch. »Ist bequemer so. Ich habe in meinem Schlafzimmer auch meine eigene Waschgelegenheit. Das hier war das Arbeitszimmer meiner Frau. Sie hat hier gerne gesessen und den Unterricht vorbereitet. Sie war Lehrerin.«
»Wie wunderbar,« sagte Grace. »Ich finde, das ist einer der schönsten Berufe.«
»Sie ist zu früh heimgerufen worden«, sagte Mr. Conner. »Sie war so schön, wie der Tag lang ist.«
»Das glaube ich.«
Wade stützte sich auf die Kommode. »Ich habe eine Ranch in etwa fünfzig Meilen Entfernung. Sechstausend Hektar. Wir züchten dort Hereford-Kühe, einige der besten Zuchttiere weit und breit.«
»Aha«, erwiderte Grace, die sich in diesen Dingen nicht auskannte.
»Aber wenn Sie nichts dagegen haben«, meinte Wade nun vertraulich, »dann möchte ich einen Moment lang nicht über Kühe, sondern über medizinische Dinge mit Ihnen reden.«
»Natürlich.«
»Es geht um Matt, wissen Sie. Man kann dagegen natürlich nichts tun. Aber in einem Moment ist er genau wie früher, voller Lebenslust und so, und im nächsten Augenblick ist es, als wäre er gar nicht präsent. Als wären seine Gedanken irgendwo anders. Und da kann ich ihn nicht erreichen. Das macht mir manchmal große Sorgen.«
»Aha«, sagte Grace wieder. »Das ist ganz normal. Er leidet immer noch unter den Nachwirkungen des Sturzes. Doch es geht ihm besser, als man jemals zu hoffen wagte.«
»Genau«, nickte Wade weise. »Das stimmt wohl.«
Die erste Woche verging für Grace sehr schnell. Wade Conner stand jeden Morgen vor der Dämmerung auf und fuhr zu seiner Ranch. Um zehn Uhr begann die Therapie für Matt. Ein Sprachtherapeut und ein Physiotherapeut kamen von San Antonio herüber und arbeiteten beide mit Matt in seinem Zimmer bis zum frühen Nachmittag. Manchmal brachte der Physiotherapeut, ein dicker, schwitzender Mann mit schlaffen Wangen und einem rosa Gesicht, Matt in die Küche, wo sie zusammen das Mittagessen zubereiteten. Er sorgte dafür, dass Matt alle Anweisungen genau befolgte, dass er wusste, wo er das Besteck und die Trinkgläser fand, und daran dachte, die Deckel wieder auf die Töpfe zu legen.
Nach der Therapie machte Matt gewöhnlich einen Mittagsschlaf oder las in den Skripten, die jeden Morgen von einem Kurierdienst gebracht wurden. Grace hatte bemerkt, dass alle den Absender M. Lavender trugen. Um vier Uhr erschien eine dickliche Mexikanerin namens Dolce, um das Essen zu kochen - gewöhnlich Steak oder Rindergulasch. Grace aß meistens nur Kartoffeln und Salat.
»Ich möchte nur, dass ihr wisst«, verkündete Wade Conner am ersten Abend beim Essen, »dass trotz allem, was Sie vielleicht auf der Leinwand gesehen haben …«, Wade missbilligte einige von Matts Filmrollen, »… Sie sich dennoch in Gesellschaft von anständigen, zivilisierten Männern befinden. Das hier ist ein christlicher Haushalt.« Bei dem Wort »christlich« sah er Matt bedeutungsvoll an, der aber nur die Augen verdrehte.
Aber Grace schätzte dies. Klar, es gab O. J. und Sid Vicious, aber Prominente benahmen sich in Gegenwart von Frauen gewöhnlich anständig, weil sie Angst vor Klagen und Skandalen hatten. Doch man konnte nie sicher sein, und Wades feierliche Verkündigung, dass die Grundlagen dieses Haushalts moralisch fest gefügt waren, schloss für Grace ungebetene Störungen nach dem Zubettgehen an ihrer Zimmertür aus. Schon bei einem solchen Versuch würde sie sofort kündigen.
Da sie nur wenig mehr zu tun hatte, als zwischen den einzelnen Therapiesitzungen Matts Temperatur zu messen (war sie vielleicht nur für einen Notfall hier? Warum war sie eigentlich hier?), begann Grace, sich eine eigene Routine zurechtzulegen. Morgens, ehe die Sonne zu heiß wurde, joggte sie die Hauptstraße
Weitere Kostenlose Bücher