Schicksalspfad Roman
tun.« Während ihr Herz, wie Lavender prophezeit hatte, in tausend Stücke zerbrach, floh sie aus der Küche in ihr Zimmer und schloss die Tür.
Zitternd umklammerte sie die Stuhllehne vor dem Schreibtisch und versuchte sich zu sammeln. Sie begriff dieses Gefühl nicht, diesen Ansturm von Übelkeit. Noch nie hatte sie eine solche Intensität gespürt, wie sie sie jetzt durchfuhr. Sie war wie elektrisiert, sodass
sie am liebsten mit der Faust gegen die Wand geschlagen hätte.
Es blieb ihr nur eines.
Keuchend setzte sie sich an den Schreibtisch und begann einen Brief auf dem Block zu schreiben, den man ihr hingelegt und den sie bisher noch nicht benutzt hatte.
Lieber Matt,
es scheint so, als hätte ich einen Riesenfehler begangen. Ich war so dumm zu glauben, dass sich zwischen uns beiden etwas entwickelte und wir eine Zukunft zusammen haben könnten. Aber ich habe von Ihrer Freundin in LA erfahren, und um meine Gesundheit und mein Wohlbefinden zu schützen, möchte ich nichts mehr mit Ihnen zu tun haben. Es ist einfach zu schwierig für mich. Bitte, bitte, lassen Sie mich in Ruhe. Es tut mir leid, dass ich Echo Falls, das wunderbare Echo Falls, früher als vereinbart verlassen muss.
Ich hoffe, Sie werden es verstehen.
Grace.
Dann öffnete sie die Schreibtischschublade, zog den Scheck über zwanzigtausend Dollar heraus und zerriss ihn in so kleine Fetzchen, wie sie nur konnte. In dem Moment hörte sie, wie Lavender das Haus verließ, wie draußen ein Wagen angelassen wurde und fortfuhr.
Anschließend rief sie den Taxidienst an, der sie hergebracht hatte. Lange, ehe Matt von der Jagd nach Hause kam, würde sie verschwunden sein.
31
C herry hatte lange geschlafen und lag nun wach im Bett. Während Rick sich im Bad für die Arbeit fertig machte, dachte sie an den vorangegangenen Abend. Sie waren in die Avery Fisher Hall gegangen, in ein Konzert der New Yorker Philharmoniker. Es war Cherrys erstes der New Yorker Philharmoniker. Es war Cherrys erstes klassisches Konzert, und es hatte ihr sehr gut gefallen.
Der ganze Abend war wie ein Traum gewesen. Zuerst hatten sie in dem französischen Restaurant zu Abend gegessen, das sie bei ihrer ersten Verabredung besucht hatten. Rick hatte seinen Anzug von Hugo Boss getragen, Cherry ihr neues ärmelloses Schwarzes von Donna Karan, das Rick ihr als Überraschung am Tag nach dem Vorfall mit Mr. Donahue gekauft hatte, als sie in einem Ausbruch von Selbstkritik und Selbstmitleid gekündigt hatte. Schon bei dem Gedanken, jemals wieder vor einem Patienten zu stehen, war ihr übel geworden. »Keine Sorge«, hatte Rick gesagt, »mach einfach eine Pause. Ich kümmere mich schon um dich.« Hätte sie sich einen fürsorglicheren, rücksichtsvolleren Partner wünschen können? Beim Konzert hatten sie Plätze in der ersten Reihe gehabt, da Rick ein »Freund der Philharmoniker« war und einmal einen Vorsitzenden des Lincoln Center mit einem Herzanfall behandelt hatte. Die Musik gab Cherry das Gefühl, sehr kultiviert und zivilisiert zu sein, so, als lebte sie im Wien des neunzehnten Jahrhunderts. Es hatte ihr Spaß gemacht, die Musiker zu beobachten, von denen viele zu ihrer Überraschung Frauen waren. Wie konnten
sie nur die Noten lesen und gleichzeitig dem Dirigenten folgen und trotzdem perfekt miteinander die Instrumente spielen?
Cherry hoffte, das bald noch einmal zu erleben. Wenn sie sich doch nur an die Namen der Komponisten erinnern könnte! Glücklicherweise hatte Rick ein Programm gekauft. Sie musste nachschauen, solange er im Bad war, und dann etwas sagen wie: »Der Soundso hat mir wirklich gefallen.«
Komisch, wie sich alles entwickelt hatte, dachte Cherry, reckte sich und gähnte. Als sie zuerst in New York ankam, war ihr Ziel gewesen, einen Mann zu finden und ein bisschen das privilegierte Leben in Manhattan zu genießen. Und nun, kaum ein Jahr später, lag sie hier, war mit dem Spitzenmann der Intensivstation zusammen und führte, da sie ja gekündigt hatte, ein Luxusleben. Nicht viele Mädchen in Manhattan hatte es besser als Cherry Bordeaux! Ein typischer Tag begann mit Frühstück bei Rick (Eier und Toast, frische Erdbeeren), gefolgt von einer Yogastunde im Fitnesscenter und einem schönen langen Bad bei Rick. Dann folgte ein leichtes Mittagessen bei Dee oder La Fontaine (alleine oder mit Rick, je nach seinem Zeitplan), Einkaufen oder eine Pediküre am Nachmittag. Rick bestand stets darauf, ihr die Dinge zu kaufen, die sie sich wünschte, und hatte ihr auch die teure
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