Schicksalspfad Roman
nichts.
»Klingt so, als hättest du etwas auf dem Herzen«, sagte Rick mit einem wissendem Lächeln.
Cherry musste schnell reagieren. Sie wusste, dass Rick vermutlich darauf brannte, ins Schlafzimmer zu gehen und in seiner Jacketttasche nachzusehen. Dann würde er sich verfluchen, weil er das Beweisstück nicht vernichtet hatte. Warum hatte er es behalten? Aus Faulheit? Arroganz? Machte ihm das Risiko Spaß?
»Ich muss in die Drogerie,« sagte Cherry. »Wir brauchen Zahnpasta. Und Seife.«
»War mir gar nicht aufgefallen«, sagte Rick, der sie aufmerksam beobachtete. »Bleib nicht zu lange.«
»Nein.« Cherry stand auf.
»Cherry?«, fragte Rick.
»Ja?«
»Könntest du mir einen Gefallen tun?«
»Klar.«
»Würdest du mir das braune Jackett aus dem Schlafzimmer bringen?«
Cherry erstarrte. Und nun? Wenn sie versuchte, die Patientenkarte wieder in die Jackentasche zu stecken - um zu beweisen, dass sie sie nicht genommen hatte -, würde Rick sie bestimmt vernichten.
»Was ist?«, fragte Rick sehr ruhig.
»Nichts«, antwortete Cherry. Sie erkannte, dass Rick plante, ihr ins Schlafzimmer zu folgen, sie zu beobachten und zu erwischen. Daher tat sie das Einzige, was ihr nun noch übrig blieb. Auf dem Weg ins Schlafzimmer ging sie zur Wohnungstür und schloss auf, während sie aus dem Augenwinkel heraus sah, wie Rick aufstand. »Wohin gehst du?«, fragte er mit einer Stimme, als hätte er nicht begriffen, was vor sich ging. Ihm war vermutlich noch nicht aufgegangen, dass Cherry ihm vielleicht nicht gehorchen würde, und genau damit hatte sie gerechnet. Sie öffnete die Tür, rannte zum Aufzug und drückte panisch auf den Knopf. Da kam Rick auf den Gang.
»Was zum Teufel geht hier vor?«, fragte er, eher verwundert als wütend. Als der Aufzug kam, überlegte Cherry, dass der ehrgeizige, imagebewusste Dr. Nash im
Gang seines Wohnhauses wohl keine Szene machen würde. Er würde Cherry nicht nachrennen und ihre Schreie riskieren.
»Du kannst dir dein Jackett selbst holen«, sagte Cherry, als die Aufzugtüren sich öffneten. Die Türen schlossen sich vor einem völlig verdutzten Rick.
Cherry fuhr ins Erdgeschoss, voller Angst, dass Rick vielleicht die Treppe benutzen und sie dort abfangen würde. Unten rannte sie so schnell wie möglich aus dem Gebäude und hielt das erste Taxi an, das sie sah. »Manhattan Hospital«, rief sie dem Fahrer atemlos zu.
»Ja, ich hatte so meinen Verdacht«, sagte Kathy hinter ihrem Schreibtisch und studierte weiterhin die Karteikarte, die Cherry ihr gegeben hatte.
»Wirklich?«, fragte Cherry. Sie saß in Kathys Büro und blickte immer wieder nervös zur Tür, ob Rick nicht auftauchen würde. Sie rechnete damit, dass er ins Krankenhaus eilen würde, um den Schaden zu begrenzen, ehe Cherry die Chance bekam, ihn völlig zu ruinieren.
»Ich bin immer sehr misstrauisch«, meinte Kathy und schob sich die Brille zurück. »Das ist aber nicht dasselbe, wie etwas beweisen zu können, und dieses kleine Stück Papier scheint genau so ein Beweis zu sein. Ich möchte dies zuerst Dr. Hirsch zeigen, dann sehen wir weiter. Okay?«
»Wird man ihn rauswerfen?«, fragte Cherry. Sie war nicht sicher, ob sie ihm die schlimmste Strafe wünschte.
»Hängt von Dr. Hirsch ab«, sagte Kathy. »Ich denke, Dr. Nash wird seine Seite der Geschichte vorbringen wollen.«
»Was kann er denn dazu sagen?«
»Oh, ihm fällt sicher etwas ein«, meinte Kathy.
»Ich kann es nicht glauben, dass er mir das angetan hat«, sagte Cherry, und bei diesen Worten durchfuhr sie eine Riesenwelle der Enttäuschung. Sie verlor die mühsam aufrechterhaltene Beherrschung und begann offen in die kleinen Hände zu weinen.
Kathy, die bestimmte Dinge entweder nicht sah oder nicht sehen wollte (vor allem Dinge, gegen die sie aus professionellen Gründen etwas hatte, wie etwa, wenn Ärzte und Schwestern eine Beziehung hatten), fügte endlich alle Teilchen zusammen. »Ach so«, sagte sie. »Ja, vermutlich passiert so was manchmal.« Dann stand sie wie von mütterlichen Gefühlen überkommen auf, ging um den Schreibtisch herum und legte Cherry eine Hand auf die zitternde Schulter.
»Entschuldigung«, schluchzte Cherry, die nicht wusste, ob sie sich für ihr Weinen entschuldigte oder weil sie Kathys Regeln gebrochen hatte.
Aber als sie die unglückliche Schwester tröstete, schien sich in Kathy ein nostalgisches Gefühl zu regen. Sie stieß einen der langen Seufzer aus, die gewöhnlich einem Bekenntnis vorausgehen.
»Ich war
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