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Schicksalspfade

Schicksalspfade

Titel: Schicksalspfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Taylor
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abzubrechen«, verkündete er. Das Flirten mit Sandrine gefiel ihm. Er sah keine Gefahr darin – noch nicht.
    Später kam Sandrine erneut, diesmal mit einem kristallenen Kelchglas. »C’est un vin vrai«, sagte sie mit rauchiger Stimme und reichte ihm das wundervoll verzierte Glas. »Kein
    erbärmliches Synthehol.« Sie sprach das Wort wie »Sin-thahol« aus, was Tom entzückend fand. Er trank einen Schluck und genoss den Geschmack. Nie zuvor hatte er echten Wein getrunken und jetzt begann er zu verstehen, warum die Franzosen darauf so versessen waren.
    Nach zwei Gläsern glühten Toms Wangen und er war in
    bester Stimmung. Bei den letzten drei Spielen hatte er Balzac geschlagen, eine ganz neue, einzigartige Erfahrung. Die anderthalb Stunden, die ihm sein Belohnungssystem
    zugestand, waren längst verstrichen, aber eine Ausnahme von der Regel konnte sicher nicht schaden. Er musste ohnehin auf Odile warten und sich die Zeit irgendwie vertreiben…
    Nie hatte der Raum so einladend gewirkt, nie war ihm das Billardspielen so leicht gefallen. Hinzu kam eine Sandrine, die verlockender wirkte als jemals zuvor. Er wollte sich nicht auf etwas Konkretes mit ihr einlassen, doch der verführerische Tanz zwischen ihnen war zu reizvoll, um ihn schon jetzt zu beenden.
    »Thomas«, gurrte Sandrine und nahm ihm das Queue ab,
    »bitte hilf mir, meine Technik zu verbessern. Es mangelt mir noch immer an Stabilität für einen guten Stoß.« Sie beugte sich über den Tisch, brachte das Queue in Position und formte mit den Fingern der linken Hand die »Brücke«, auf der der Billardstock ruhen sollte. Wie eine geschmeidige Löwin streckte sie sich über den Tisch, das blonde Haar ausgebreitet, der Körper in einem hautengen Bodysuit, der alle Wölbungen und Kurven deutlich zeigte. Tom wischte sich Schweißperlen von der Stirn.
    Er beugte sich über sie, streckte seine Arme aus und griff nach den Fingern, um sie in die richtige Position zu bringen.
    »Zut alors«, sagte Balzac und ging fort, um nicht zu stören.
    Sandrine drehte den Kopf, wodurch ihr Mund plötzlich nur noch wenige Zentimeter von dem Toms entfernt war. »Zeig mir alles, chéri, ich bin eine gelehrige Schülerin.«
    Und so lagen sie praktisch übereinander auf dem Billardtisch, Gesicht an Gesicht, als Odile hereinkam.
    Balzac versuchte, Tom mit einem diskreten Hüsteln zu
    warnen, aber es war zu spät. Odile schätzte die Situation mit einem Blick ab, trat zum Tisch, blieb auf der anderen Seite stehen und redete so schnell, dass Tom, der fließend
    Französisch sprach, kaum ein Wort verstand. Er sprang auf und begriff zu spät, welcher Eindruck sich Odile darbieten musste. Stotternd versuchte er, alles zu erklären, doch was auch immer ihm über die Lippen kam – es ergab keinen Sinn.
    Der Wein hatte seine Gedanken völlig durcheinander gebracht.
    Odile schenkte ihm keine Beachtung und setzte ihre Tirade fort.
    Was auch immer sie sagte: Es bewirkte eine sofortige, heftige Reaktion bei der älteren Frau, die aufstand, zur anderen Seite des Tisches schritt und ebenfalls zu keifen begann.
    Tom gewann den Eindruck, dass die Dinge allmählich außer Kontrolle gerieten, und er gab sich alle Mühe, den Schaden in Grenzen zu halten. »Odile«, sagte er herzlich, »es freut mich, dass du hier bist. Ich habe Sandrine gerade einige Tipps in Hinsicht auf die Queuebrücke gegeben.« Es klang dumm, selbst für die eigenen Ohren, und er sah, wie Balzac in gespielter Verzweiflung die Hand vor die Augen hob. Die beiden Frauen achteten überhaupt nicht auf den jungen Mann, schrien sich gegenseitig an und wurden dabei immer lauter.
    Tom fand sie beide Furcht erregend. Odiles smaragdgrüne Augen schienen dunkler geworden zu sein, wirkten weitaus bedrohlicher, und das Haar hatte die blonden Töne verloren, war jetzt rot wie Feuer. Ein oder zwei Sekunden lang glaubte Tom sogar, dass es Funken sprühte.
    Er hatte sie noch nie auf diese Weise gesehen und Sandrines Verwandlung traf ihn ebenso unvorbereitet. Aus der
    anmutigen, kurvenreichen Katze war ein fauchendes Raubtier geworden. Sicher bildete er es sich nur ein, aber ihre Fingernägel schienen in der letzten Minute länger und rasiermesserscharf geworden zu sein. Vielleicht lag es daran, dass sie sie dicht vor Odiles Gesicht hielt, wie Krallen gekrümmt.
    Von einem Augenblick zum anderen machte sich Tom echte Sorgen, nicht um Odile, sondern um Sandrine. Odile besaß den schwarzen Gürtel vierten Grades. Wenn sie es auf Sandrine abgesehen

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