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Schicksalspfade

Schicksalspfade

Titel: Schicksalspfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Taylor
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daran verschwanden im Alkoholdunst.
    Die Vergangenheit spielte keine Rolle mehr. Auch der
    Gegenwart kam kaum Bedeutung zu. Und die Zukunft war
    leer; deshalb brauchte man ihr überhaupt keine Beachtung zu schenken.
    Eigentlich gab es nichts, über das man sich Sorgen machen musste.
    Er trank erneut einen Schluck und dachte kurz an die
    Vorzüge von Single Malt Scotch Whisky. Dem ersten Drink eines jeden Tages begegnete er mit solcher Ehrfurcht, als läge darin etwas Heiliges. Der ursprüngliche Geschmack auf der Zunge, weich wie flüssiger Samt, aber auch voller Feuer… zu spüren, wie der Whisky durch die Kehle rann, die Speiseröhre hinab in den Magen… Und von dort aus erreichte er das Blut, wärmte ihn von innen, vertrieb das leichte Zittern aus den Händen und dämpfte die Kopfschmerzen.
    Es lohnte sich, dafür aufzustehen.
    »Tommy… komm… wir sind lange genug hier gewesen.
    Können wir nicht endlich gehen?«
    Die Frau ging ihm allmählich auf die Nerven. Er löste ihre Arme von seinem Hals und schob sie zur Seite. »Wenn du fort willst – geh nur«, sagte er. »Ich bin hier beschäftigt.«
    Tom merkte, dass die Namenlose schmollte, aber er scherte sich nicht darum. Mehr Interesse brachte er dem Umstand entgegen, dass der Bolianer erneut gewann. Zum wievielten Mal an diesem Abend? Zum vierten? Und wenn schon. Sie spielten um nichts. Es hatte keinen Sinn, um irgendetwas zu spielen. Wenn der Sieg bei einem Billardspiel dem Bolianer Genugtuung bereitete, so hatte Tom nichts dagegen
    einzuwenden. Er hob kurz die Hände und ging zur Theke –
    sein Glas war leer.
    Sandrine stand hinterm Tresen, die gleiche Sandrine, mit der er Freundschaft geschlossen hatte, als er nach Marseilles gekommen war, um hier zu studieren. Das lag… ziemlich lange zurück. Er fragte sich, ob fünf oder sechs Jahre vergangen waren, aber er konnte sich nicht erinnern, und das spielte auch keine Rolle, denn es war nicht weiter wichtig.
    Sandrine maß ihn mit einem missbilligenden Blick. »Geh nach Hause, Tom«, sagte sie auf Französisch. »Du hast genug.«
    »Noch ein letztes Glas, mein Schatz. Ohne einen
    Schlummertrunk kann ich mich nicht Morpheus’ Armen
    hingeben«, erwiderte er auf Englisch. Immer wieder
    provozierte er sie auf diese Weise: indem er auf Englisch antwortete, obwohl er fließend Französisch sprach. Inzwischen begnügte er sich mit kleinen Siegen.
    Sie schenkte ihm ein. Er trank den Whisky pur – Eis
    wünschte er sich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr. Als Sandrine die Flasche kippte, streckte Tom die Hand aus und drückte auf ihre Finger, wodurch noch etwas mehr
    bernsteinfarbene Flüssigkeit ins Glas floss. Sandrine schürzte die Lippen und kehrte ihm den Rücken zu. Tom lachte.
    Er nahm allein an einem Tisch Platz und sah, dass die Frau, die sich zuvor an ihn geschmiegt hatte, mit verschränkten Armen und stinksauer an der Wand stand. Glaubte sie
    wirklich, dass sie ihn mit einem solchen Verhalten dazu bringen konnte, zu ihr zu kommen und sich wie ein
    gehorsames Hündchen fortführen zu lassen? Wenn es nach ihm ging, konnte sie dort so lange stehen, bis sie sich in Granit verwandelte.
    »Sind Sie allein?« Die Stimme gehörte jemanden, der sich ihm von hinten genähert hatte. Tom drehte sich um und sah zu einem hoch gewachsenen, kräftig gebauten Menschen auf. Der Fremde hatte schwarzes Haar und eine seltsame Tätowierung an der Schläfe. Seine Stimme war ruhig, aber auch
    gebieterisch, hatte ein Timbre, das selbst den von Alkohol umnebelten Tom Paris aufhorchen ließ.
    »Ja, das bin ich. Weil ich es so will.«
    »Was dagegen, wenn ich mich setze? Ich möchte Ihnen etwas vorschlagen.«
    »Bin nicht interessiert.«
    »Vielleicht doch, wenn Sie mir zugehört haben.«
    Tom hatte sich mit weniger aufdringlichen Leuten geprügelt.
    Doch irgendetwas in der Stimme dieses Mannes, in seiner Präsenz, deutete auf eine Autorität hin, die ihn beeindruckte.
    Er deutete auf den nächsten Stuhl und der Mann nahm Platz.
    »Ich heiße Chakotay«, sagte er, aber Tom winkte sofort ab.
    Er würde sich ohnehin nicht an den Namen erinnern, und deshalb konnten sie sich solche Formalitäten sparen. Er verzichtete darauf, sich vorzustellen.
    »Sie sind Pilot, soweit ich weiß«, fuhr Chakotay fort.
    »Vielleicht könnten wir uns gegenseitig helfen.«
    Tom schwieg, ermutigte den Mann nicht, dem es
    erstaunlicherweise gelungen war, seine Neugier zu wecken. Er fühlte Chakotays prüfenden Blick auf sich ruhen und fragte sich

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