Schicksalspfade
vor einigen Jahren entdeckt hatte: eine Lichtung, auf der eine verlassene Hütte stand. Alixia glaubte, dass sie einst einem Waldarbeiter gehört hatte, aber niemand wusste, wer er gewesen und warum er fortgegangen war.
Einfacher konnte eine Hütte eigentlich kaum sein: nur ein Raum und ein Fenster. Die Einrichtung bestand aus einem Schrank, der nichts enthielt. Doch für Neelix wurde schon bald ein Schloss daraus. Er entfernte Staub und Spinnenweben, stattete die Hütte mit Dingen aus, die er im Abfall der wohlhabenden Viertel von Rinax fand. Viele Wanderschaften durch den Wald waren nötig, um seine Besitztümer zu
Lichtung zu bringen: Kissen, ein Feldbett, Lampen, Vorhänge.
Alixia half ihm jedes Mal und trug die schwereren Dinge.
Nur sie beide wussten von der Hütte, niemand sonst. Neelix teilte das Geheimnis weder mit seinen Freunden noch mit dem Rest der Familie. Alixia schien die Bedeutung dieser privaten Domäne für ihn zu verstehen und hütete das Geheimnis
ebenfalls, soweit er wusste.
Viele Stunden verbrachte er dort und seine Aktivitäten veränderten sich, während er größer wurde. Als kleiner Junge gab er sich Phantasievorstellungen hin und schlüpfte in die Rolle des Prinzen Morax, der vor Äonen die unheilvollen Krebe-Geschöpfe von Talax vertrieben und dadurch
dauerhaften Frieden geschaffen hatte. Er, Prinz Morax, tötete das groteske Krebe-Ungeheuer Lothal: Mit dem
Krummschwert Simus schlug er ihm den Kopf ab und
beendete damit für immer die Gefahr.
Er stellte sich die Siegesfeier vor, die nach der Legende vierzehn Tage gedauert hatte. Während dieser Zeit aß und trank Morax nichts, verzichtete auch auf Schlaf – er hatte das Herz des getöteten Monstrums Lothai verspeist und dadurch genug Kraft. Diesen Teil übersprang Neelix für gewöhnlich, denn er konnte – oder wollte – sich nicht vorstellen, ein rohes Herz zu essen.
Aber er genoss die Bewunderung des imaginären Volkes.
Große Mengen jubelten ihm zu und waren so dankbar, dass sie ganz außer sich gerieten vor Entzücken. Immer wieder ließen sie ihn hochleben und schrien voller Bewunderung. Vierzehn mythische Tage lang badete Morax im Glück seines Volkes.
Als Neelix zehn oder elf war, verlor diese
Phantasievorstellung ihren Reiz und wich der Faszination von Waffen. In seiner Familie gab es in dieser Hinsicht keine Vorbilder. Sein Vater war ein gelehrter Mann, der sich des Abends bei einem Threx-Spiel mit seiner Frau entspannte.
Seine Schwestern lernten eifrig für die Schule und verbrachten ihre freie Zeit damit, sich von jungen Männern umwerben zu lassen.
Niemand scherte sich um Waffen.
Neelix’ Interesse erwachte, als er im Müll einer reichen Familie eine alte Energiewaffe fand. Sie war groß und wuchtig und funktionierte längst nicht mehr, aber irgendetwas an ihr –
das Gewicht, der Umstand, dass sie sich sehr massiv anfühlte, ihr funktionelles Design – faszinierte Neelix. Er nahm sie mit zur Hütte im Wald, demontierte sie dort und legte die einzelnen Teile vorsichtig beiseite, sodass er den Strahler später wieder zusammensetzen konnte.
Vier- oder fünfmal wiederholte er diesen Vorgang, bis er die Prinzipien des Partikelstrahl-Generators verstand.
Anschließend versuchte er herauszufinden, wie man ihn reparieren konnte. Er entdeckte einige alte Bücher mit Instruktionen für die Reparatur von Waffen und las sie sehr aufmerksam. Nach einer Weile begriff er, dass es nur eine Möglichkeit gab, die gefundene Waffe wieder funktionsfähig zu machen: Er brauchte radiogene Isotope.
Wie konnte sich ein zwölfjähriger Junge solche Substanzen beschaffen? Welchen Grund sollte er nennen, um eine Person dazu zu bewegen, sie ihm zu geben? Wenn jemand herausfand, dass es ihm darum ging, eine Strahlwaffe in einen
einsatzbereiten Zustand zu versetzen… Neelix glaubte, dass der Aufruhr groß genug sein würde, um seine Eltern und vielleicht auch die Behörden auf die Hütte aufmerksam zu machen, und dann war sein Geheimnis für immer verloren.
Seine einzige Hoffnung hieß Alixia. Eines Abends fand er sie am Bach, der durch ihr Anwesen floss – dort erfrischte sie sich an einem warmen Sommerabend. Über ihnen hing der Planet Talax groß am Himmel und warf helles Licht auf die
Bewohner seines Mondes.
»Alixia, die Schule hat mich mit einem Ehrenprojekt
beauftragt und dafür brauche ich radiogene Isotope.« Alixia ging in die zehnte Klasse und Neelix wusste, dass ihr dadurch erhebliche Ressourcen zur Verfügung
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