Schicksalspfade
Augen glitzerten und die Haarbüschel wirkten sehr gepflegt.
»Der Junge möchte schießen lernen, Uxxin«, erwiderte
Neelix’ Vater. »Ich sorge dafür, dass er alles richtig macht.«
»Gut«, sagte der erste Mann. »Wir brauchen bewaffnete Bürger, so wie sich die Dinge entwickeln.«
Neelix bemerkte, dass sein Vater bei diesen Worten die Stirn runzelte. Er führte ihn fort von Uxxin und ein wenig abseits der anderen Schützen durfte der Junge auf das erste Ziel anlegen. Sie blieben mehr als zwei Stunden, und als sie gingen, hatte sich Neelix’ Zielgenauigkeit erheblich verbessert.
Nachdem er mit der ersten Waffe umzugehen verstand,
besorgte ihm sein Vater ein zweite, kompliziertere, und der ganze Vorgang wiederholte sich. Neelix lernte mit großem Eifer und es dauerte nicht lange, bis er sich mit vielen unterschiedlichen Waffen auskannte, von handlichen Strahlern bis zu den Disruptorkanonen eines Raumschiffs.
Nur einmal fragte ihn sein Vater, warum ihn diese Technik so sehr interessierte. Neelix wusste keine Antwort darauf. Und da richtete sein Vater eine sonderbare Frage an ihn: »Machst du dir Sorgen wegen der Haako-nianer?«
Das verwunderte Neelix. Er hatte von den Haakonianern gehört, erinnerte sich aber nicht an den Zusammenhang.
»Sollte ich?«, erwiderte er.
Sein Vater wirkte beunruhigt, und das war ganz und gar nicht typisch für ihn. Neelix spürte, wie sich Furcht in ihm regte –
ein sehr unangenehmes Gefühl.
»Es gibt Gerüchte«, sagte sein Vater ausweichend. »Leider besteht unsere Regierung aus Personen, die sich nicht unbedingt durch großes diplomatisches Geschick auszeichnen.
Sie könnten die Haakonianer beleidigen.«
»Was bedeutet das? Was geschieht dann?«
Neelix’ Vater streckte die Hand aus und klopfte seinem Sohn auf die Schulter. »Nichts, nichts. Es tut mir Leid, wenn ich dich verunsichert habe. Hier bei deiner Familie auf Rinax wirst du immer sicher sein. Wenn es zu irgendwelchen Problemen kommt, so betreffen sie allein Talax.«
Die Unruhe blieb in Neelix. Konkrete Informationen hätten nicht so schlimm sein können wie der unheilvolle Klang der Worte. Was meinte sein Vater mit Wenn es zu irgendwelchen Problemen kommt, so betreffen sie allein Talax? Probleme welcher Art? Und wie konnte man sicher sein, dass sie sich auf Talax beschränkten? War dies der Grund, warum der Mann auf dem Schießplatz von der Notwendigkeit bewaffneter Bürger gesprochen hatte? Neelix, dessen Leben bisher von Komfort und Sicherheit bestimmt gewesen war, sah sich plötzlich mit Ungewissheit konfrontiert.
Er setzte die Schießübungen fort und hielt seine Waffen sorgfältig sauber. Wenn es zu einem Notfall kam, wollte er bereit sein.
Die Monate vergingen und das Gefühl drohenden Unheils löste sich immer mehr auf. Kurz bevor er vierzehn wurde, bekam er seine Flecken und dieses Ereignis überschattete alle anderen.
Ein leichtes Brennen im Gesicht und am Hals wies ihn auf den nahen Übergang hin, kurz vor seinem vierzehnten
Geburtstag. Wochenlang betrachtete er sich im Spiegel, hielt nach den ersten Anzeichen Ausschau. Und dann sah er sie endlich: die ersten vagen Verfärbungen an Kopf und Hals, am Rücken und auf den Armen.
Endlich war er ein Mann.
Im Lauf der Wochen wurden die Flecken dunkler und zeigten sich dadurch immer deutlicher. Neue Kraft erfüllte ihn, als er durch die Flure der Schule schritt, dabei Verwandtschaft mit jenen fühlte, die ihren Übergang bereits hinter sich hatten, während er den anderen, bei denen sich noch keine Flecken zeigten, mit Anteilnahme begegnete.
Außerdem brachte er den Mädchen wachsendes Interesse
entgegen.
Er hatte von dieser starken Attraktion gehört, sie aber immer für ziemlich dumm gehalten. Es sollte einem Vergnügen bereiten, ein Mädchen auch nur anzusehen? Wie absurd. Jetzt stellte er fest, dass sich seltsame Empfindungen in ihm regten, wenn er den Blick auf das andere Geschlecht richtete. Er war verwundert und betört, spürte sogar ein wenig Furcht. Sein junges Selbst steckte plötzlich voller widerstreitender Empfindungen.
Die Arbeit für die Schule litt unter den neuen Interessen.
Abends erinnerte sich Neelix an Bibixens wundervolle
Haarbüschel, an Uxanas silberhelles Lachen, an den
verlockenden Duft von Maxis’ Parfüm. Er schenkte den
Büchern kaum mehr Beachtung, gab sich ganz seinen
Träumereien hin. Die Waffensammlung, einst sein größter Stolz, ruhte halb vergessen in den Schränken.
Nur eines nahm in Neelix’
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