Schicksalspfade
er die Existenz der Hütte preisgab – als Zufluchtsort für ihn kam sie jetzt ohnehin nicht mehr in Frage.
Er führte die Gruppe zur Lichtung und stieg dort voller Grauen aus. Ihm lag nichts daran, den schrecklich
zugerichteten Mann noch einmal zu sehen. Er hatte ihn bereits beschrieben und wollte, dass sich Tixil und die anderen um alles kümmerten, damit er versuchen konnte, den grässlichen Anblick aus seinem Gedächtnis zu tilgen.
Doch ihm fiel sofort auf, dass die Tür der Hütte geschlossen war.
Er wusste genau, dass er sie offen gelassen hatte, erinnerte sich in diesem Zusammenhang an seine Sorge während der Fahrt durch den Wald. Es gab nur eine Erklärung: Jemand war hier gewesen, nachdem er diesen Ort verlassen hatte.
Er blieb abrupt stehen. Tixil sah ihn an. »Was ist los, Neelix?«, fragte er.
»Ich habe die Tür offen gelassen. Jemand war hier.«
Tixil nickte und zog seine Waffe. Ihr Anblick beruhigte Neelix. Eine Person mit Autorität war zugegen, ein mächtiger Mann mit einer mächtigen Waffe. Er würde Stabilität in Neelix’ Leben zurückbringen, eine außer Rand und Band geratene Realität ordnen.
An der Tür blieb Tixil kurz stehen, stieß sie dann auf und trat mit schussbereiter Waffe ein. Nachdem er sich im Raum umgesehen hatte, winkte er die anderen heran.
Neelix betrat die Hütte hinter seinem Vater und hoffte, dass dieser ihn vor dem Anblick des Gefolterten abschirmte.
Aber der Mann war gar nicht mehr da.
Der Stuhl, auf dem er zuvor gesessen hatte, nahm wieder seinen üblichen Platz am Tisch ein. Der Raum sah so aus, als hätte sich seit Jahren niemand in ihm aufgehalten. Staub bedeckte den Boden und nirgends zeigten sich Fußspuren darin. Nichts deutete darauf hin, dass der Stuhl woanders gestanden hatte.
Es gab kein verkrustetes Blut im Staub.
Neelix spürte, dass mehrere Blicke auf ihn gerichtet waren, darunter der seines Vaters und Tixils. Die Männer schwiegen.
»Ich… ich…« Neelix hörte das Zittern in seiner Stimme und atmete tief durch. »Er war hier. Er saß auf diesem Stuhl, gefesselt. Aber der Stuhl stand nicht am Tisch, sondern in der Mitte des Zimmers.« Seine Stimme klang hohl.
Noch einmal sah sich Tixil sorgfältig um, inspizierte das Fenster und den Schrank, betrachtete den staubigen Boden.
Neelix stellte fest, dass ihre eigene Präsenz unübersehbare Spuren im Staub hinterlassen hatte. Es war ausgeschlossen, die Hütte zu betreten, ohne dass Abdrücke in der dicken
Staubschicht auf dem Boden zurückblieben.
Neelix sah seinen Vater an, der Tixil beobachtete, während der Mann vom Zivilschutz das Zimmer noch einmal
überprüfte. Schließlich drehte sich Tixil zu ihnen um und seine Stimme klang sanft, als er sagte: »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, Neelix. Alles deutet darauf hin, dass sich hier seit langer Zeit niemand aufgehalten hat.« Er zögerte verlegen. »Vielleicht bist du ein junger Mann mit sehr lebhafter Phantasie…«
»Ich habe ihn gesehen«, erwiderte Neelix fest. »Er war hier.«
Tixil nickte und schien zu versuchen, diesen Worten Glauben zu schenken. Er sah kurz Neelix’ Vater an und senkte dann den Blick. Seine Verlegenheit wuchs.
»Ich bringe es nicht gern zur Sprache«, sagte er; das Thema bereitete ihm ganz offensichtlich Unbehagen. »Aber ich fühle mich dazu verpflichtet.« Er zögerte erneut, fuhr dann fort:
»Rhuludianische Kristalle sind heutzutage bei der Jugend sehr beliebt…«
Neelix hörte, wie sein Vater nach Luft schnappte, und er hasste Tixil, weil er diese schreckliche Möglichkeit erwähnte.
Er trat auf seinen Vater zu. »Ich habe so etwas nie – nie –
angerührt. Und ich werde es auch nie.«
Neelix’ Vater nickte ernst und sah Tixil an, der schwieg und einen Kommentar ablehnte.
Schließlich holte der Mann vom Zivilschutz tief Luft. »Ich lasse den Wald von meinen Leuten durchsuchen. Wenn sie etwas finden, gebe ich Ihnen sofort Bescheid.«
Neelix’ Vater nickte und schien sich damit abzufinden, aber sein Sohn fühlte sieh verraten. »Sie glauben mir nicht«, warf er Tixil vor. »Sie vermuten, ich hätte mir alles nur eingebildet.
Aber das ist nicht der Fall. Ich habe hier einen auf grausame Weise gefolterten Mann gesehen, und wer auch immer ihn peinigte – der Verantwortliche ist noch irgendwo dort draußen.« Bei den letzten Worten lief es ihm kalt über den Rücken. Die geflüsterte Prophezeiung des Gefesselten fiel ihm ein – jemand befand sich dort draußen und würde ihn finden.
Er
Weitere Kostenlose Bücher