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Schicksalspfade

Schicksalspfade

Titel: Schicksalspfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Taylor
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sondern der Klarinette. Als
    Siebenjähriger begegnete er ihr zum ersten Mai. Seine Mutter brachte ihn zu einer Musikschule und dort sah er den
    schmalen, röhrenförmigen Apparat. Mit der Erlaubnis des Lehrers nahm er das seltsame Instrument und versuchte, ihm einen Laut zu entlocken.
    Doch es blieb still. Das überraschte ihn, denn bisher hatte er es noch nie mit einem Musikinstrument zu tun bekommen, das er nicht fast sofort spielen konnte. Er versuchte es erneut. Luft entwich und ein grässliches Quieken erklang – ein ähnliches Geräusch hatte Mausi einmal von sich gegeben, als Harry unabsichtlich auf ihren Schwanz getreten war.
    Die Klarinette faszinierte ihn. Das so einfach wirkende Instrument stellte eine Herausforderung dar und Harry war entschlossen, sie zu meistern. Mit fester Stimme wies er seine Mutter darauf hin und trotz ihrer Enttäuschung stellte sie seine Wahl nicht in Frage. Wenn Harry die Klarinette spielen wollte, so hatte er ihre Unterstützung.
    Und so ertrugen seine Eltern monatelanges Kreischen und Quieken, als er versuchte, auf der Klarinette etwas zu spielen, das einigermaßen melodisch klang. Mausi brachte keine Toleranz für diese Lernphase auf. Wenn Harry nach der Klarinette griff, lief sie in den entlegensten Teil des Hauses und versteckte sich dort, stülpte vielleicht sogar die Pfoten über die Ohren, um das grässliche Quäken nicht zu hören.
    Doch schließlich zahlte sich Harrys Hartnäckigkeit aus und nach einem Jahr beherrschte er ein Repertoire, zu dem auch Mozart und Weber gehörten. Als Zehnjähriger begab er sich in regelmäßigen Abständen nach New York, um dort im
    Jugendlichen vorbehaltenen Juilliard-Symphonieorchester zu spielen. Gleichzeitig studierte er Musiktheorie, Komposition und Orchestrierung. Er galt als Wunderkind und seine Lehrer sahen für ihn eine großartige Zukunft als Musiker.
    Als er vierzehn war, kam es in Harrys Leben zu einem
    unerwarteten Wendepunkt, durch den sich alles änderte.
    »Wie weit ist es noch?«, fragte Harry. Er atmete schwer und schwitzte in der heißen Augustsonne. Das Tuch, das er sich um den Kopf gebunden hatte, war bereits feucht.
    »Nicht mehr sehr weit«, erwiderte sein Vater. Er schritt vor ihm über den Weg, mit Stiften, Holzkohle und Skizzenblock im Rucksack. Seit fast zwei Stunden wanderten sie durch die Berge der Sierra Nevada und insgeheim bereute Harry die Entscheidung, seinen Vater bei diesem Ausflug zu begleiten.
    Natürlich behielt er diesen Gedanken für sich, denn eine entsprechende Bemerkung hätte sicher John Kims Gefühle verletzt. Harrys Empfindungen war man immer mit großer Rücksicht begegnet und er neigte dazu, sich auf die gleiche Weise zu verhalten.
    »Ich weiß, dass es ein weiter Weg ist«, sagte John. »Aber die Mühe lohnt. Das wird dir klar, sobald du den kleinen See siehst. Vermutlich wissen die meisten Leute nicht einmal, dass es ihn gibt. Er befindet sich abseits des Weges und ist so klein, dass er auf vielen Karten fehlt. Ich halte ihn für den schönsten Ort auf dieser Erde.«
    Harrys Vater war weit herumgekommen und deshalb
    mangelte es seinen Worten nicht an Gewicht. Außerdem fand Harry Gefallen an der Gesellschaft seines Vaters und sah ihm gern beim Zeichnen zu; dafür nahm er sogar eine lange Wanderung an einem heißen Tag in Kauf. Er hatte seine Klarinette mitgenommen und freute sich darauf, sie am Ufer des kleinen Sees zu spielen, tief im Kiefernwald der Sierra Nevada.
    Fünfzehn Minuten später erreichten sie einen Bergkamm und John deutete nach unten. Endlich sah Harry den See: ein blauer Fleck, umgeben vom Grün hoher Koniferen. Er wirkte
    zauberhaft und einladend; plötzlich war Harry froh, dass er seinen Vater begleitet hatte.
    »Das ist er«, sagte John. »In zehn Minuten sind wir dort. Wir können am Ufer essen.«
    Er trat einen Schritt vor und verschwand, als der Boden unter ihm nachgab.
    Es geschah so schnell, dass Harry nicht sofort begriff, was passiert war. Er beugte sich vor und sah, wie sein Vater in die Tiefe stürzte, schließlich auf einen Felsen prallte.
    Reglos blieb er dort liegen.
    Furcht schnürte Harry die Kehle zu und er sah sich um, als könnte wie durch ein Wunder ein Retter erscheinen. Aber mit schrecklicher Gewissheit wurde ihm klar, dass sein Vater und er in dieser Wildnis allein waren. Jetzt lag John am Fuß eines steilen Hangs, hoffentlich nur bewusstlos. Harry musste handeln.
    Er schob sich vorsichtig an der Absturzstelle vorbei und eilte dann über den

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