Schicksalspfade
die
Bekanntgabe jemals vor April erfolgte.«
»Nun, ich habe noch keine Bestätigung erhalten. Ich bin nur ziemlich sicher, dass ich eine bekommen werde.«
»Wieso denn?«
»Ich habe gerade die mündliche Prüfung hinter mich gebracht und sehr gut abgeschnitten, glaube ich.«
Der Mann brummte und ging dorthin, wo Harry eben noch gestanden hatte. Er harkte den Boden, wollte offenbar die Fußspuren verschwinden lassen. »Da habe ich so meine
Zweifel«, grummelte er und ging ohne ein weiteres Wort.
Die Begegnung hinterließ ein sonderbares Unbehagen in Harry, dessen Ursache ihm ein Rätsel blieb. Der Mann war nur ein Gärtner, ein einfacher Arbeiter, doch etwas an seiner Art –
seine Schroffheit – hatte Harrys euphorische Stimmung zerstört. Betrübt meldete er sich im Transporterraum, und als er zu Hause eintraf, fühlte er sich erschöpft. Er sank aufs Bett und schlief drei Stunden, aber als er erwachte, war er ebenso müde wie vorher.
Die Nachricht erreichte ihn Mitte April, an einem Samstag.
Wie die vielen tausend anderen Bewerber kannte Harry den Tag, an dem die Namen der neuen Kadetten bekannt gegeben wurden, und erstaunlicherweise schlief er in der Nacht zuvor recht gut. Die E-Mail traf am späten Vormittag ein und fast hätte er sie sofort geöffnet. Doch dann dachte er an seine Mutter. Sie war an seiner Seite gewesen, als er eine schlechte Nachricht befürchtet hatte; sie sollte auch zugegen sein, wenn er die Früchte seiner Bemühungen erntete. Sein Vater war auf Reisen; später gab es noch Gelegenheit genug, ihm von den guten Neuigkeiten zu berichten.
Harry fand seine Mutter im Garten, wo sie sich um die Blumen kümmerte, aber sie wusste natürlich, was dieser Tag bedeutete. »Die Nachricht ist eingetroffen«, sagte er und sie richtete sich auf. Ein Muskel zuckte in ihrer Wange. »Es ist bestimmt alles in Ordnung«, versicherte er ihr und gemeinsam gingen sie zu seinem Zimmer.
»Lieber Mr. Kim«, begann die Mitteilung, »es gibt viele Aspekte, die wir bei der Bewertung von Bewerbern für die Starfleet-Akademie berücksichtigen. Ein Faktor sind die Prüfungsergebnisse und Ihre könnten kaum besser sein.
Trotzdem müssen wir Ihnen bedauerlicherweise mitteilen, dass wir Ihnen keine Zulassung für das Septembersemester
gewähren können. Wir sind der Ansicht, dass Sie nicht zu den Kadetten dieses Jahrgangs passen. Natürlich können Sie sich im nächsten Jahr noch einmal bewerben.«
Harry starrte auf den Bildschirm und las die Mail immer wieder, als könnte sie ihm bei der vierten oder fünften Lektüre einen anderen Wortlaut präsentieren. Seine neben ihm sitzende Mutter schwieg und er begriff, dass die schlechte Nachricht irgendeinen Kommentar erforderte.
»Ich schätze… ich schätze, das war’s«, sagte er und
versuchte mit fester Stimme zu sprechen. Seine Augen
brannten, aber er hielt die Tränen zurück. Er wollte nicht alles noch schlimmer machen, indem er ausgerechnet jetzt in Anwesenheit seiner Mutter weinte.
Er fühlte ihre Hand auf dem Arm und legte die eigene darauf.
Seit seiner Kindheit war sie eine Freundin, Vertraute und Helferin für ihn gewesen. Sie gab ihm Kraft und diese Kraft brauchte er jetzt. Er drückte ihre Hand.
»Es kommen noch andere Schulen für mich in Frage. Es ist keineswegs so, dass ich plötzlich auf der Straße säße.«
»Willst du dich im nächsten Jahr noch einmal bewerben?«
»Ich glaube nicht. Ich habe mir alle Mühe gegeben und es nicht geschafft. Daher sehe ich kaum einen Sinn darin, es noch einmal zu versuchen.«
Überrascht sah Harry, wie seine Mutter aufstand. In ihren Augen blitzte es. »Du wirst nicht aufgeben«, sagte sie mit mehr Festigkeit in der Stimme, als er je zuvor gehört hatte.
»Das werde ich nicht zulassen. Du hast zu hart gearbeitet, zu viel Mühe in diese Sache investiert. Im nächsten Jahr wirst du dich erneut bewerben.«
Harry war sprachlos. Seine Mutter hatte nie zuvor auf etwas bestanden, ihm nie etwas aufgezwungen. Doch der stählerne Klang in ihrer Stimme ließ keinen Zweifel.
»Ich weiß nicht einmal, warum man mich abgelehnt hat.«
»Finde es heraus.«
»Wie denn?«
»Wie auch immer.«
Damit ging sie fort und ließ einen völlig verwirrten Harry zurück.
Es mochte eine recht ungewöhnliche Methode sein,
Ermittlungen anzustellen, und Harry wusste nicht genau, warum er sich darauf einließ. Aber eine Woche später befand er sich erneut auf dem Gelände der Starfleet-Akademie und suchte nach dem Gärtner.
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