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Schicksalspfade

Schicksalspfade

Titel: Schicksalspfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Taylor
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Tag. Er liebte Literatur, vor allem Dichtung, doch er begriff nun: Gedichte konnten zwar Fragen stellen, lieferten aber nur selten Antworten. Gute Literatur bewirkte, dass man über Möglichkeiten nachzudenken begann, über Ideen und Konzepte, die man bisher nicht in Erwägung gezogen hatte.
    Aber sie lieferte nichts Absolutes. In der Physik ist die Energie gleich Masse mal Beschleunigung. In der Chemie besteht eine Verbindung aus verschiedenen Substanzen, die sich genau definieren lassen. In der Differenzialrechnung ist die Derivierte von x im Quadrat zwei x. Sobald man ein Problem gelöst hatte, war es gelöst. Die Quadratwurzel von neunundvierzig befindet sich nicht irgendwo zwischen sechs und acht, sondern lautet sieben. Punkt.
    Harry empfand das als angenehm. Es war fester Boden und kein Flugsand – diese Art von Stabilität bereitete ihm Vergnügen. Er verdoppelte seine Anstrengungen und versuchte in jeder Nacht mit weniger Schlaf auszukommen, um mehr Zeit für seine Studien zu haben. Er spürte, wie sich sein Bewusstsein ausdehnte und Wahrheiten berührte, von denen er nicht einmal geträumt hatte. Eine solche Erfahrung war verlockender als der Schlaf.
    Drei Wochen nach seinem siebzehnten Geburtstag begab sich Harry Kim nach San Francisco, um dort die Aufnahmeprüfung der Starfleet-Akademie zu absolvieren.
    Er saß in einem Saal mit langen Tischen, an denen insgesamt vierhundert Personen Platz genommen hatten: Siebzehn- und Achtzehnjährige, erfüllt von dem brennenden Wunsch, die Starfleet-Akademie zu besuchen.
    Diese Prüfung war nur eine von vielen, die in San Francisco und überall in der Föderation stattfanden, denn es gab Abertausende von jungen Leuten aus vielen verschiedenen Völkern, die von einer Ausbildung an der Akademie träumten.
    Die Prüfung dauerte acht Stunden, mit einer zehnminütigen Pause am Vormittag und einer weiteren am Nachmittag. Für das Mittagessen, das kaum einem der Prüflinge wirklich schmeckte, stand eine Stunde zur Verfügung. Es ging um viele Dinge: Föderationsgeschichte, Astrophysik, interstellare Verträge. Es war der zermürbendste Tag, den Harry je erlebt hatte.
    Aber nachher fühlte er sich gut. Nichts hatte ihn überrascht und er war imstande gewesen, alle Fragen zu beantworten. Die jahrelange mühevolle Vorbereitung hatte sich ausgezahlt. Am Abend beamte er sich müde, aber auch begeistert nach Hause und teilte den besorgten Eltern mit, dass er sein Bestes gegeben hatte. Sie lächelten erleichtert und sein Vater kochte ihnen Tee, während Harry von der Prüfung erzählte.
    Dann begann das Warten. Niemand erfuhr das Ergebnis,
    bevor alle Bewerber Gelegenheit gefunden hatten, die Prüfung abzulegen. Es mochte Wochen dauern, bis die betreffenden Informationen von weit entfernten Föderationsplaneten die Erde erreichten. Die Bekanntgabe der Resultate leitete die zweite Phase der Auswahl ein: Wer die schriftliche Prüfung bestanden hatte, musste eine mündliche hinter sich bringen.
    Eigentlich war dies der schwierige Teil der ganzen Prozedur, und beim Gedanken daran verkrampfte sich etwas in Harrys Magengrube. Es war eine Sache, mit Hilfe eines
    Handcomputers Antworten zu schreiben, und eine ganz andere, in einem Zimmer drei Starfleet-Offizieren gegenüberzusitzen und verbal mit einer Flut von Fragen fertig werden zu müssen.
    Er wusste, dass die Prüfer nicht nur die Antworten bewerteten, sondern auch seine Persönlichkeit, sein Auftreten, seine Ausdrucksweise. Das alles waren wichtige Faktoren, die es bei der Auswahl von Starfleet-Personal zu berücksichtigen galt.
    Um ihn darauf vorzubereiten, veranstalteten Harrys
    Privatlehrer seit drei Jahren mündliche Prüfungen. Er beschloss, die Wochen des Wartens zu nutzen, um seine Fähigkeiten weiter zu verbessern. Wenn er vor dem
    Prüfungskomitee erschien, wollte er einen möglichst guten Eindruck machen. Je mehr er übte, desto besser für ihn. Er widmete jeden wachen Moment der Beantwortung von
    Prüfungsfragen und versuchte dabei, sich so gut wie möglich zu präsentieren. Er fertigte visuelle Aufzeichnungen an und korrigierte sein Erscheinungsbild. Mit Wörterbüchern und Lexika erweiterte er seinen Wortschatz.
    Im Januar erhielt er eine Mitteilung von der Starfleet-Akademie. Sie kam als E-Mail, und als seine persönliche Konsole ihn auf den Empfang der Nachricht hinwies, hatte er plötzlich einen Kloß im Hals und in seinen Fingern prickelte es unangenehm. Viermal machte er Anstalten, die Mail zu öffnen, doch jedes

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