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Schicksalspfade

Schicksalspfade

Titel: Schicksalspfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Taylor
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Mehrere Stunden lang wanderte er umher, doch der grauhaarige Alte ließ sich nirgends blicken.
    Plötzlich hatte Harry das seltsame Gefühl, dass jener Mann vielleicht gar nicht existierte. Möglicherweise handelte es sich um ein übernatürliches Phänomen, das ihm als eine Art Omen erschienen war, um sein Verhängnis zu prophezeien.
    Wenn er sich des gleichen Verbrechens schuldig machte wie zuvor… Vielleicht manifestierte sich das Phantom dann noch einmal. Harry trat ans Azaleen-Beet und begann damit, an verblassten Blüten zu zupfen. Nur wenige Minuten lang war er auf diese Weise aktiv, als er die brummige Stimme hörte.
    »He! Was machst du da?«
    »Ich entferne die Blütenblätter«, sagte Harry sofort. »Um die Pflanze anzuregen, neue Blüten zu entwickeln.« Mit diesem Vorgang war er vertraut. Schon als kleines Kind hatte er gehört, wie seine Mutter davon sprach.
    Der Alte neigte den Kopf zur Seite und musterte Harry neugierig. »Vor einigen Wochen warst du schon einmal hier.
    Hast deine mündliche Prüfung absolviert.«
    »Stimmt. Und ich bin durchgefallen. So wie Sie vermuteten.«
    Der Mann schnaubte, verzichtete aber auf einen weiteren Kommentar. Harry trat näher. »Wie heißen Sie?«
    »Boothby. Und du?«
    »Harry Kim.«
    »Nicht viele junge Leute kennen sich mit Blumen aus. Und noch viel weniger wissen über das Entfernen der Blütenblätter Bescheid.«
    »Ich weiß viel. Aber mein Wissen hat es mir nicht
    ermöglicht, einen Platz an der Akademie zu bekommen.«
    Harry kam sich plötzlich dumm vor. Legte er wirklich Wert darauf, die Meinung des Gärtners zu hören? Andererseits… Es konnte nicht schaden, ihn zu fragen.
    »Offenbar wussten Sie, dass ich die mündliche Prüfung nicht bestanden hatte, Mr. Boothby. Wie ist das möglich? Was wies Sie darauf hin, dass ich es nicht schaffen würde?«
    Boothby sah ihn an und verzog das faltige Gesicht, das daraufhin Ähnlichkeit mit einer verschrumpelten Pflaume bekam. »Du bist großspurig und arrogant, dir deiner zu sicher«, sagte er.
    »Ich?« Diese Beschreibung stand in einem krassen Gegensatz zu dem Bild, das Harry von sich selbst hatte. Er glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu können.
    »Die Prüfer fragen immer, warum jemand zu Starfleet
    gehören möchte«, meinte Boothby. »Was hast du gesagt?«
    Harry wiederholte seine sorgfältig vorbereitete Antwort.
    Doch er hatte kaum damit begonnen, als Boothby abwinkte.
    »Glaubst du, sie wollten so etwas hören?«, fragte er
    verächtlich. »Leere Schmeicheleien über die Größe
    Starfleets?«
    »Ich wollte ihnen zu verstehen geben, wie sehr ich die Organisation schätze und respektiere.«
    »Dadurch unterscheidest du dich nicht von allen anderen.«
    »Ich… ich…«
    »Die Prüfer sind nicht an irgendwelche Lobhudeleien über Starfleet interessiert. Sie wollen vielmehr wissen, wer du bist und zu welchem Mann du dich entwickeln wirst.«
    »Ich habe gesagt, dass ich Teil der stolzen Tradition sein möchte…«
    »Genau das meine ich. Den Kram mit der ›stolzen Tradition‹.
    Niemand spricht so. Es klingt eingeübt.«
    »Nun, ich habe an meiner Antwort gearbeitet. Sie sollte möglichst gut klingen.«
    »Eine ehrliche Antwort wäre besser gewesen.«
    Darauf wusste Harry nichts zu sagen. Er fühlte sich wie am Boden zerstört. All die lange und anstrengende
    Vorbereitungsarbeit hatte ihm nicht etwa geholfen, sondern sich als Nachteil erwiesen. Er war davon überzeugt gewesen, einen guten Eindruck zu machen, aber stattdessen hatte er falsch und gekünstelt geklungen. Tief in seinem Innern wusste er, dass Boothbys Hinweis ins Schwarze traf. Der Gärtner hatte das mit viel Mühe geschaffene Bild als das erkannt, was es wirklich war: als eine Fassade.
    Harry starrte auf eine Azalee hinab, als wäre sie das faszinierendste Objekt, das er jemals gesehen hatte. Er wollte an nichts anderes denken, nicht die Möglichkeit in Erwägung ziehen, zur Akademie zurückzukehren. Die Demütigung saß einfach zu tief.
    »Johnny Picard erging es ebenso«, sagte Boothby wie
    beiläufig. »Fiel beim ersten Mal durch. Bin immer der Meinung gewesen, dass es ihm zum Vorteil gereichte.«
    Harry drehte sich um und starrte den Gärtner groß an. »Jean-Luc Picard? Von der Enterprise?«
    Boothby schnaubte. »Man nannte ihn Johnny, als ich ihn kannte. Als er schließlich einen Platz bekam, geriet er immer wieder in Schwierigkeiten. Aber letztendlich wurde ein ordentlicher Mann aus ihm.«
    Harry staunte. Jean-Luc Picard, der legendäre

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