Schicksalspfade
Captain des Flaggschiffs, war bei der mündlichen Prüfung durchgefallen und kein Musterkadett gewesen? Es fiel ihm schwer, das zu glauben, aber Boothbys Worte hatten den unverkennbaren Klang der Wahrheit.
Der Gärtner bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick.
»Die meisten Leute sind alles andere als perfekt, wenn sie zur Akademie kommen«, betonte er. »Darum geht es hier. Wenn man diesen Ort verlässt, ist man besser als vorher.«
Harry musterte den Alten, hörte die Weisheit in seinen Worten und hatte das Gefühl, als wäre eine schwere Last von ihm gewichen.
»Viel zu langsam, Kadett. Zehn Runden.«
Harry starrte Commander Nimembeh an, den Offizier seiner Vorbereitungsgruppe, blickte dann auf den Phaser in seinen Händen. In weniger als zwanzig Sekunden hatte er ihn
auseinander genommen, rekonfiguriert und wieder
zusammengesetzt. War das nicht schnell genug? Wieder sah er zu Nimembeh und suchte nach geeigneten Worten für eine Antwort. Doch der Commander kam ihm zuvor. »Wenn ich
einen Befehl erteile, so erwarte ich, das Sie ihm unverzüglich Folge leisten. Fünfzehn Runden.«
»Mit diesen Sachen?«, fragte Harry verwirrt. Er trug keine Sportkleidung, sondern seine Kadettenuniform und Stiefel.
»Zwanzig Runden.«
Harry setzte sich in Bewegung. Er hielt noch immer den Phaser in der Hand, wollte ihn aber nicht beiseite legen oder fragen, was er damit machen sollte – aus Furcht davor, dass Nimembeh die Rundenzahl noch einmal erhöhte. Zwanzig
Runden waren bereits schlimm genug.
Harry begann damit, langsam zu laufen. Er war gut in Form –
immerhin spielte er seit vielen Jahren Volleyball –, aber das Laufen hatte ihm nie sehr gelegen. Und zwanzig Runden, so wusste er, waren geradezu mörderisch. Hinzu kam: An diesem Tag herrschten in San Francisco außergewöhnlich hohe
Temperaturen.
Schon nach der dritten Runde war er in Schwierigkeiten. Er sah Nimembeh am Rand der Bahn, hoch aufgerichtet – das Licht der Sonne spiegelte sich auf seinem kahlen dunklen Kopf wider. Harry hatte bereits eine tiefe Abneigung gegen ihn entwickelt und vermutete, dass ihm der Commander ähnliche Gefühle entgegenbrachte. Nimembeh hackte auf ihm herum, verlangte mehr von ihm als von den anderen Mitgliedern der Vorbereitungsgruppe. Dieses Laufen mit Stiefeln war einfach absurd!
Nach elf Runden konnte Harry nicht mehr. Vor Nimembehs Füßen sank er ins Gras, mit glühenden Füßen und brennender Lunge, so durstig wie nie zuvor in seinem Leben. »Ich bin erledigt, Sir«, keuchte er. »Machen Sie mit mir, was Sie wollen, aber ich kann keine weitere Runde laufen.«
»Melden Sie sich in der Krankenstation, Kadett«, lautete Nimembehs Antwort. »Vergewissern Sie sich dort, dass Sie keinen Hitzschlag erlitten haben.«
»Aye, Sir«, sagte Harry dankbar. Vielleicht war der
Commander doch kein herzloses Ungeheuer. Er suchte die Krankenstation auf und ließ sich dort von einem Starfleet-Arzt untersuchen, der ihn mit einem medizinische Tricorder sondierte und wie beiläufig nach dem Grund für Harrys Dehydration fragte.
Der Kadett berichtete von seinem Lauf, und als er
Nimembehs Namen erwähnte, zuckte es kurz in den
Mundwinkeln des Arztes. Das glaubte Harry zumindest. Aber vielleicht bildete er es sich auch nur ein.
Harry erhoffte sich einen Zimmergenossen aus einem
anderen Volk. Aber wie sich herausstellte, sollte er die Unterkunft mit einem hoch gewachsenen jungen Mann aus Kentucky teilen, George Mathers, der kurzes braunes Haar und Augen in der gleichen Farbe hatte. Harry erinnerte sich an die Warnungen seiner Mutter. Er war als Einzelkind aufgewachsen und hatte immer ein Zimmer ganz für sich allein gehabt.
Dadurch fiel es ihm vielleicht schwer, sich mit einem Zimmergenossen abzufinden. Er war in dieser Hinsicht
zunächst recht besorgt und fest dazu entschlossen, nicht schwierig zu sein. Eine angenehme Überraschung erwartete ihn: George erwies sich als sehr nett und ausgeglichen. Von Anfang an kamen sie bestens miteinander zurecht und stritten nie über irgendetwas.
Bisher entsprachen die Akademie-Erfahrungen seinen
Erwartungen. Das vergangene Jahr hatte er damit verbracht, sich mit Dingen zu beschäftigen, die aus seiner Welt
verschwunden waren, als seine ganze Aufmerksamkeit dem Bemühen galt, die Aufnahmeprüfung der Starfleet-Akademie zu bestehen. Der Umstand, bei der mündlichen Prüfung
durchgefallen zu sein, befreite ihn von jener Besessenheit und dadurch konnte er seine Persönlichkeit besser
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