Schicksalspfade
entwickeln. Er gab sein einsiedlerisches Dasein auf, ging aus, traf sich mit jungen Frauen und hatte im Verlauf mehrerer Monate die eine oder andere Liebesaffäre.
Einmal besuchte er ein ktarianisches Musikfestival und wählte den falschen Sessel. Als die Frau kam, die den Platz reserviert hatte, verliebte er sich innerhalb einer Nanosekunde in sie. Die Fremde sah hinreißend aus und war groß, fast so groß wie er. Sie hatte pechschwarzes, lockiges Haar und ein so perfektes Gesicht, dass ihm der Atem stockte. Nach einer weiteren Nanosekunde gelangte er zu dem Schluss, dass eine so wunderschöne Frau auf keinen Fall bereit sein würde, mit ihm auszugehen, und er schlug sie sich aus dem Kopf. So sprunghaft und kurzlebig waren manche Romanzen in jenem Jahr.
Er las zum Vergnügen und nicht, um Wissen zu sammeln und bei irgendwelchen Prüfungen gut abzuschneiden. Er griff wieder zur Klarinette und spielte improvisierten Jazz. Bisher hatte er so etwas vermieden und nur Musik gespielt, die Note für Note vorgeschrieben war. Das Improvisieren gab ihm eine Freiheit, an der er immer mehr Gefallen fand, und daraufhin spielte er auch die Klarinette nur zum Spaß, ohne spezielle Absichten.
Im folgenden Frühjahr absolvierte er noch einmal die
schriftliche und mündliche Aufnahmeprüfung der Akademie.
Diesmal bestand er beide, und zwar »mit Auszeichnung«, wie Admiral Strickler betonte.
Den ersten Hinweis auf Probleme bekam er nach der
zweiwöchigen Vorbereitungsphase, als er zusammen mit
George und den anderen neuen Kadetten das Stadion
aufsuchte, um dort die Klassenzuweisungen in Empfang zu nehmen. Aufregung lag fast greifbar in der Luft, als sich die jungen Leute fragten, ob ihre Hoffnungen in Erfüllung gingen.
Sie alle wussten, dass man sie während der beiden
Vorbereitungswochen aufmerksam beobachtet hatte. Ihre individuellen Leistungen waren bewertet worden und auf dieser Grundlage fanden nun die Zuweisungen statt. Hier und dort ertönten die freudigen Stimmen junger Männer und Frauen, die mit den Ergebnissen zufrieden waren. Andere schüttelten enttäuscht den Kopf. Doch alle fanden sich mit den Entscheidungen ab, die in ihrem eigenen Interesse getroffen worden waren, und sie schworen, auch weiterhin ihr Bestes zu geben.
Harry nahm einen Handcomputer, blickte aufs Display und wölbte erstaunt die Brauen.
Für ihn war das erste Semester nur eine Probezeit, und zwar wegen eines Berichts des Offiziers der Vorbereitungsgruppe.
Nimembeh! Der Commander mit den stählernen Augen hatte Harrys Vorbereitungsphase mit »unbefriedigend« bewertet und er konnte keine Laufbahn wählen, solange der Probezeit-Status andauerte.
Er wandte sich an George, als der Adrenalinspiegel in seinem Blut rapide anstieg.
»Sieh nur, was Nimembeh mir angetan hat! Ich muss eine Probezeit absolvieren!«
Georges Gesicht zeigte Überraschung und Anteilnahme, was Harry in der Ansicht bestärkte, ungerecht behandelt worden zu sein. Aber dann setzte sich der für George typische
Optimismus durch. »Den Status wirst du bestimmt schnell los, Harry. Du bist klug und gut organisiert und deine Leistungen in der Klasse sind ausgezeichnet. Welche Fächer hat man dir zugewiesen?«
Harry blickte erneut auf das Display des Handcomputers.
»Verwaltung Integrierter Systeme, nichtlineare
Kontrolltheorie, Analyse der Subraum-Kommunikation und Ambienten-Regulierung«, las er und fühlte sich ein wenig besser. Die Klassen gehörten zur Operationssparte, und dafür hätte er sich entschieden, wenn er imstande gewesen wäre, frei zu wählen. Vielleicht war dies doch nicht so schlimm. Er hatte bereits Volleyball als Sport außerhalb des Lehrplans gewählt und seine diesbezüglichen Leistungen waren immer recht gut gewesen. Dann stand noch »Elementares Überlebenstraining«
auf dem Lehrplan – jeder Kadett musste pro Jahr einen solchen Kurs hinter sich bringen.
»Ich habe ebenfalls Systemverwaltung und Kontrolltheorie«, sagte George. Er betätigte die Schaltflächen des
Handcomputers und ließ den angezeigten Text scrollen.
»Außerdem statistische Analyse, Tennis… und…«
Er unterbrach sich und richtete einen verwunderten Blick auf Harry. »Meine Güte, ich habe Nimembeh beim
Überlebenstraining.«
Heimgesucht von einer düsteren Vorahnung, sah auch Harry auf sein Display, und tatsächlich: Bei ihm sollte das Überlebenstraining ebenfalls unter der Leitung von Nimembeh stattfinden. Mit anderen Worten: Ausgerechnet der Mann, der ihm die
Weitere Kostenlose Bücher