Schicksalspfade
müssen, mich Phantasievorstellungen hinzugeben. Aber das wollte ich mir nicht eingestehen, denn ich habe dich zu sehr geliebt.«
Eine gewaltige Welle aus Freundschaft, Zuneigung, Sorge und, ja, Liebe, schwappte über Harry hinweg. Er trat auf seinen Freund zu und umarmte ihn. George schlang ebenfalls die Arme um ihn und eine Zeit lang standen sie auf diese Weise.
Dann wich George zurück. »Ich muss eine andere Unterkunft für mich beantragen«, sagte er leise. »Jetzt wäre es zu schwer, hier mit dir zu leben. Ich hoffe, das verstehst du.«
»Natürlich.« Unsägliche Trauer erfüllte Harry, und er hatte das deutliche Gefühl eines schweren Verlustes. Nur einmal zuvor in seinem Leben war er gezwungen gewesen, mit einem solchen Schmerz fertig zu werden, vor Jahren, beim Tod von Mausi. »Ich möchte dein Freund sein, George. Können wir unsere Freundschaft bewahren?«
George atmete tief durch und sah ihn an. »Das hoffe ich. Mit der Zeit. Aber nicht jetzt sofort. Ich muss… über das alles hinwegkommen.«
Harry hätte alles getan, um George die Schmerzen zu nehmen und selbst zu leiden. Aber er wusste, dass George diesen Weg selbst beschreiten musste. Und wenn er ihn hinter sich gebracht hatte… Dann konnten sie vielleicht wieder Freunde sein.
Drei Jahre später stand Harry zusammen mit seinen
Klassenkameraden im Stadion der Akademie und hörte
Admiral Brand zu, der ihnen mitteilte, dass sie die
Abschlussprüfung bestanden hatten und nun aufbrechen
würden, um Starfleet im bekannten und unerforschten All zu repräsentieren. Es war keine besonders eindrucksvolle Rede, zumindest nicht für Harry, der sich einfach nur darüber freute, endlich Nimembeh zu entkommen. Während seiner vier Jahre an der Akademie hatte sich der Commander nie verändert, blieb die ganze Zeit über unerbittlich, unzugänglich und streng.
Nicht ein aufmunterndes Wort kam von ihm, nicht ein
Kompliment. Nie zeigte er auch nur einen Hauch von
Anteilnahme. Jetzt konnte sich Harry darüber freuen, dass dies alles ein Ende hatte.
Aber wohin sollte er gehen? Diese Frage wurde zu einem Problem, das er allein nicht lösen konnte. Er suchte sogar den Rat des Gärtners Boothby, so wie bei verschiedenen anderen Gelegenheiten im Lauf der Jahre. Boothbys praxisbezogener gesunder Menschenverstand schaffte es immer wieder, Zweifel und Verwirrung zu verscheuchen.
Aber diesmal hatte ihm selbst Boothby nicht helfen können.
»Nach dem Abschluss habe ich zwei Möglichkeiten«, wandte sich Harry an den Gärtner. Der Himmel war bedeckt und Boothby legte ein Beet mit Springkraut an. »Ich kann hier in San Francisco bleiben, bei Starfleet Command, als
Entwicklungsspezialist in der technischen Abteilung. Oder ich könnte Einsatzoffizier an Bord eines kleinen Raumschiffs werden.«
»Was hat den größeren Reiz für dich?«
»Genau da liegt das Problem – ich kann mich nicht
entscheiden. Ich habe mir immer gewünscht, das All zu erforschen, und es ist eine tolle Chance, auf Anhieb
Einsatzoffizier zu werden.«
»Aber?«
»Aber ich müsste San Francisco – und die Erde – verlassen.«
»Ich schätze, du denkst in diesem Zusammenhang an eine bestimmte junge Frau.«
»Ja. Wir meinen es… sehr ernst miteinander. Und es wird unserer Beziehung nicht helfen, wenn ich monatelang fort bin.«
»Das ist ein Problem.«
»Ich weiß, dass es ein Problem ist. Deshalb spreche ich ja mit Ihnen.«
Boothby sah auf, kniff die Augen zusammen und musterte den jungen Mann. »Du glaubst, ich hätte die Antwort, nicht wahr?«
»Sie scheinen immer eine Antwort zu haben.«
Boothby lachte kurz und fuhr damit fort, kleine Büschel bunter Blumen in den feuchten Boden zu pflanzen. »Nun, es tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, aber ich glaube, eine derartige Entscheidung kannst nur du allein treffen. Du musst herausfinden, was dir wirklich wichtig ist, und dann gilt es, auf dieser Grundlage zu entscheiden. Niemand sonst kann in dein Herz sehen.«
Mehr bot ihm Boothby nicht an. Harry sprach auch mit
George darüber, dessen Freundschaft er während der
vergangenen vier Jahre immer sehr zu schätzen gewusst hatte.
George schien immer weiser und klüger zu sein, als man aufgrund seines Alters annehmen sollte, und er fasste seine Meinung in deutliche Worte: »Bleib in San Francisco. Heirate Libby und gründe eine Familie. Da ist etwas Besonderes zwischen euch, und so etwas gibt man nicht einfach auf.«
Libby präsentierte ihm eine andere Sichtweise. »Ich
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