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Schicksalspfade

Schicksalspfade

Titel: Schicksalspfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Taylor
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einmal mehr aus seinem Leben verschwunden war. Als er sich den bisher noch nicht durchsuchten fünften Gang vornahm, hörte er leise Schritte und sah, wie die schwarzhaarige Frau um die Ecke kam und ihre
    Aufmerksamkeit den Regalen auf der anderen Seite widmete.
    Um Harry herum schien sich die Luft zu verdichten und ihm das Atmen zu erschweren. Er blickte über die Schulter und beobachtete, wie sich ihm die Frau langsam näherte, ihren Blick dabei über die Buchrücken schweifen ließ. Er trachtete danach, sich auf die eigene Suche zu konzentrieren, doch er war sich ihrer Präsenz auf geradezu überwältigende Weise bewusst, als sie immer näher kam.
    Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie die Hand ausstreckte und ein Buch aus dem Regal zog. Fast verzweifelt versuchte er, sich etwas einfallen zu lassen, irgendeine intelligente Möglichkeit, ein Gespräch zu beginnen, etwas, das nicht banal oder gezwungen klang. Er sah keinen Sinn darin, das
    Musikfestival zu erwähnen; bestimmt erinnerte sie sich nicht an ihn.
    Schließlich entschied er sich, einfach nur hallo zu sagen und zu fragen, ob sie ebenfalls nach einem ganz bestimmten Buch Ausschau hielt. Er drehte sich um, lächelte und stellte fest, dass sie in dem Buch las, das sie gerade aus dem Regal gezogen hatte.
    Der Titel lautete: Die Bounty-Trilogie.
    Ein leises, würdeloses Quieken entrang sich Harrys Kehle und die Frau sah neugierig auf. »Genau das Buch brauche ich!«, platzte es aus ihm heraus. »Seit Stunden suche ich danach.«
    Sie bedachte ihn mit einem kühlen Blick. »Ich habe
    jahrelang danach gesucht«, erwiderte sie, klappte das Buch zu und wandte sich ab.
    »Warten Sie, bitte, Sie verstehen nicht. Ich brauche das Buch. Mein Ausbilder hat mich angewiesen, es zu suchen, und ich kann ihm unmöglich sagen, dass ich es nicht gefunden habe.«
    Aus dem kühlen Blick wurde ein kalter. »Ihr Starfleet-Leute seid immer so arrogant«, sagte die Frau mit Nachdruck. »Ihr glaubt, allen anderen überlegen zu sein und es verdient zu haben, wie Könige behandelt zu werden.« Sie wandte sich erneut ab.
    »Nein, gehen Sie nicht, bitte. Bitte.« Die Frau blieb stehen und drehte sich langsam um – etwas in Harrys Stimme schien sie berührt zu haben. Er kam sich wie ein brabbelndes, schwerfälliges Kind vor. »So ist es ganz und gar nicht. Ich habe da diesen Ausbilder, er heißt Nimembeh und er macht mir das Leben schwer, aber ich muss seine Befehle befolgen oder die Akademie verlassen. Er hat mir aufgetragen, das Buch zu suchen. Ich dachte schon, dass ich es nie finden würde. Ich flehe Sie an, überlassen Sie es mir.«
    Sie hörte seine Aufrichtigkeit und Verzweiflung. Für einige Sekunden senkte sie den Blick, um das Buch zu betrachten, hob ihn dann wieder. »Mein Vater hatte dieses Buch«, sagte sie leise. »Er las es mir vor, bevor ich es selbst lesen konnte. Er meinte, es enthielte Lehren, an die ich mich für den Rest meines Lebens erinnern würde. Damals wusste ich nicht, was er damit meinte. Dann starb er und ein Museum bekam alle seine Bücher. Als ich älter wurde, fielen mir seine Worte ein und ich begann mit der Suche nach dem Buch.«
    Harry sah sie groß an. Ihre Worte rührten ihn zutiefst und plötzlich schien es gar nicht mehr so wichtig zu sein, dass er das Buch bekam. Er musste eben irgendwie mit Nimembeh fertig werden und lächelte matt. »Behalten Sie es.« Er wusste nicht, was er sonst noch sagen sollte, wandte sich ab und schritt durch den Gang.
    »Warten Sie«, sagte die Frau. Harry drehte sich um und einmal mehr verblüffte ihn ihre ätherische Schönheit.
    »Vielleicht lässt sich ein Kompromiss schließen«, sagte sie und ihre Stimme war wie Samt im staubigen Raum. »Nehmen Sie es und stellen Sie Ihren Ausbilder damit zufrieden. Und wenn er es nicht mehr braucht, bringen Sie es mir.«
    Harrys Dankbarkeit kannte keine Grenzen. Dieses
    wunderschöne Geschöpf war auch noch großzügig! Er sah die Frau an, verliebte sich in sie und öffnete den Mund, um ihr zu danken.
    Und nieste.
    Sie lachte und gemeinsam verließen sie das Gebäude mit den Büchern. Stundenlang wanderten sie durch die Stadt, genossen den frischen Frühlingstag und sprachen miteinander,
    erforschten sich mit dem Eifer und der Energie junger Liebe.
    Harry erfuhr, dass die Frau Libby Lattimore hieß, Kunst studierte, Katzen liebte und jeden Tag eine Orange aß. Ihre Mutter war eine bekannte Autorin und lebte in England, was sie jedoch nicht an häufigen Kontakten zu ihrer Tochter

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