Schicksalspfade
hinderte. Libby war mit einigen Starfleet-Kadetten
ausgegangen, fand sie aber so arrogant und von sich selbst eingenommen, dass sie sich geschworen hatte, ihnen in Zukunft aus dem Weg zu gehen.
Und sie erinnerte sich daran, Harry beim Musikfestival gesehen zu haben.
Er fand sie faszinierend. Er liebte den Klang ihres vollen, heiseren Lachens. Er liebte es, wie sich ihre Nase an der Spitze ein wenig zur Seite bog. Er liebte es, wie ihr Haar bei jedem Schritt wogte. Er liebte ihre Sensibilität, ihre Anteilnahme, ihr süßes Wesen.
Er liebte alles an ihr.
Doch als er an jenem Abend mit der Bounty-Trilogie in sein Zimmer zurückkehrte, widerstrebte es ihm, George von ihr zu erzählen. Wie konnte er einer so wundervollen und
einzigartigen Person gerecht werden? Er fürchtete, dumm und albern zu klingen, wie ein pubertärer Jugendlicher, der sich in ein Mädchen verknallt hatte. Er wollte, dass sein bester Freund George Libby selbst sah und sich ein Bild von ihrer
Einzigartigkeit machte.
»Kommst du mit zu einer Kunstausstellung?«, fragte er George wie beiläufig. Er befasste sich gerade mit
Differenzialrechnung, ein Fachgebiet, das ihm Schwierigkeiten bereitete.
»Ja, gern«, sagte George und gab sich so nett wie immer.
»Was steht auf dem Programm?«
»Bilder«, sagte Harry.
»Bilder? Meinst du zweidimensionale Leinwände, bedeckt von in Öl gelösten Pigmenten?«
»Genau.«
George warf Harry einen skeptischen Blick zu. »Sind die Bilder alt?«
»Nein, sie stammen von einer jungen Künstlerin mit großem Talent.«
»Ich dachte, alles auf einer Leinwand Darstellbare sei bereits mehrfach dargestellt worden.«
Harry zuckte mit den Schultern. »Es kann nicht schaden, wenn wir uns die Bilder ansehen. Die Ausstellung wird morgen eröffnet.«
»Glaubst du, Nimembeh gibt dir den Abend frei?«
Harry hob das Buch. »Ich habe Unmögliches zustande
gebracht. Ich schätze, das wird ihn angemessen beeindrucken.«
Und tatsächlich: Nimembeh war so beeindruckt, dass er Harry eine ganze Woche freigab – das geschah zum ersten Mal in diesem Jahr. Dadurch bekam er Gelegenheit, zusammen mit George Libbys Ausstellung zu besuchen.
Die Kunstgalerie war ein großes Gebäude an der Market Street, und als die jungen Kadetten eintrafen, wimmelte es dort bereits von Besuchern. Harry und George bahnten sich einen Weg durch die Menge. Harry hielt überall nach Libby
Ausschau, konnte sie aber nicht finden.
Ihre Kunstwerke erwiesen sich als außergewöhnlich und Harry war nicht auf die Wirkung vorbereitet, die sie auf ihn hatten. Die Austeilung präsentierte starke Kontraste. Hier bedeckten große Leinwände ganze Wände, zeigten düstere, übernatürliche Wesen, die mächtig und geheimnisvoll wirkten, bei sonderbaren Ritualen. An anderen Wänden hingen kleine Bilder, die sich durch eine bemerkenswerte Liebe zum
realistischen Detail auszeichneten. Man konnte kaum glauben, das beides von der gleichen Künstlerin stammte.
Selbst George war beeindruckt. »Ich habe mich geirrt«, sagte er fest. »Diese Gemälde sind hervorragend. Wie heißt die Malerin?«
»Ihr Name lautet Libby Lattimore«, erwiderte Harry und hoffte, dass der Stolz in seiner Stimme nicht zu offensichtlich war. »Sie müsste hier irgendwo sein.« Erneut blickte er sich im Raum um und schließlich sah er sie. Libby sprach mit einigen Leuten in mittleren Jahren, die an ihren Lippen zu hängen schienen. Sie trug einen weißen Overall, der ihr schwarzes Haar zur Geltung brachte. Harry fand sie hinreißend.
»Das ist sie«, sagte er freudig und merkte, dass George ihn ein wenig seltsam ansah. »Komm. Ich möchte dich ihr
vorstellen.«
Harry ging los und rechnete damit, dass George ihm folgte.
Als er sich der Gruppe näherte, bemerkte Libby ihn, beendete ihr Gespräch mit den anderen und kam ihm entgegen. Ganz offensichtlich freute sie sich über das Wiedersehen ebenso wie er. Sie griff nach seinen Händen und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Freut mich, dass du gekommen bist«, sagte sie. »Hier geht’s zu wie in einem Irrenhaus, aber meine Arbeiten scheinen den Leuten zu gefallen.«
»Es ist unglaublich. Ich meine… Ich hatte keine Ahnung.«
Libbys Antwort bestand aus einem strahlenden Lächeln und Harry drehte sich um mit der Absicht, George vorzustellen.
Doch sein Zimmergenosse stand noch immer dort, wo er ihn zurückgelassen hatte, und sein Gesichtsausdruck ließ sich nur schwer deuten. Harry winkte ihn ungeduldig näher, und George kam auf sie
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