Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
zeigten nicht mehr viel von der Würde eines einflussreichen Kaufmanns. Kein Wunder, dass Simon seinen Bruder so schätzte.
»Selbstverständlich.«
»Dann kommt doch bitte mit mir an Deck.« Er wandte sich kurz an Hinrich. »Leistet Ihr meinem Bruder noch eine Weile Gesellschaft?«
»Ich weiß, Ihr plant ein Schelmenstück. Ihr habt meine Unterstützung.«
»Ich danke Euch, Käpt’n Hinrich.« Jannick deutete eine scherzhafte Verbeugung an, dann hielt er Brida die Tür auf und folgte ihr an Deck.
»Simon erzählte, der Pfarrer sei der Vetter Eures Vaters. Könntet Ihr den Geistlichen bitten, an Bord meines Schiffs zu kommen und mich in die rechten Kreise einzuführen? Ihr wisst selbst, wie wichtig es ist, die Bevölkerung vor dem Angriff zu warnen.«
»Und was soll ich sagen? Woher kenne ich Euch angeblich?«
»Bleibt einfach bei der Wahrheit. Natürlich ein bisschen verkürzt. Ihr hättet Euch nach dem Verschwinden Eures Vaters nicht mehr sicher gefühlt und Freunde in Lübeck aufgesucht, um Euch ihrer Unterstützung zu versichern.«
Noch während Jannick mit ihr sprach, hatten die Seeleute die Segel eingeholt und die Elisabeth fest am Kai vertäut. Der Landungssteg wurde ausgefahren, und Brida konnte das Schiff verlassen.
Neugierige bewunderten die prächtige Kogge, aber es waren keine anderen Blicke als die, welche allen fremden Schiffen galten. Brida erinnerte sich gut daran, wie man die Adela in fremden Häfen begafft hatte.
Sie sah hinauf zum Kirchberg und atmete tief durch. Dann machte sie sich an den Aufstieg. Was würde Pfarrer Clemens wohl denken, wenn er erfuhr, dass der vermeintliche Däne einer angesehenen Lübecker Kaufmannssippe entstammte? Insgeheim freute sie sich darauf, dass der anmaßende Pfaffe endlich einmal gedemütigt würde. Zu gut erinnerte sie sich an seine Böswilligkeit Simon gegenüber, als man ihn noch Erik rief. Wie er darauf bestand, ihn einzusperren, und später Seyfried Glauben schenkte, als der den Schiffbrüchigen beschuldigte, ihren Vater erstochen zu haben.
Sie fand den Pfarrer im Garten hinter der Kirche. Bei ihrem Anblick fuhr er zusammen, als hätte er einen Geist erblickt.
»Brida! Kind, ich habe mir große Sorgen um dich gemacht. Wo warst du in den letzten beiden Tagen?«
»Seid gegrüßt, Herr Pfarrer«, begann sie artig und überging, dass er in seinem Schrecken auf jede Begrüßung verzichtet hatte. »Ich hatte Angst nach Vaters Verschwinden. Deshalb habe ich den Schutz von Freunden in Lübeck gesucht. Ich bin mit der Elisabeth zurückgekommen.« Sie wies auf die prächtige Kogge unten im Hafen. Clemens folgte ihrem Blick.
»Johann von Wickede, ihr Eigner, hat mir sehr geholfen«, fuhr sie fort. »Er bat mich, Euch an Bord zu bitten, denn es gibt wichtige Angelegenheiten zu regeln.«
»Selbstverständlich, Kind.« Clemens wischte sich die Hände am Talar ab und folgte ihr den Kirchberg hinab zum Hafen. Bridas Herz klopfte schneller. Sie konnte sich der aufkommenden Schadenfreude nicht erwehren, was wohl geschähe, wenn Clemens erfuhr, wer der verhasste Däne tatsächlich war.
»Ein stolzes Schiff«, stellte Clemens fest. »Ich wusste gar nicht, dass Hinrich so einflussreiche Freunde in Lübeck hat.«
»Ihr kennt die Familie von Wickede, Hochwürden?«
Pfarrer Clemens schüttelte den Kopf. »Nein, aber selbstverständlich ist mir der Name ein Begriff.«
Jannick erwartete sie an Deck. Noch während Clemens über den Landungssteg an Bord ging, fragte Brida sich, ob er die Ähnlichkeit zwischen Jannick und Simon wohl bemerken würde. Doch nichts dergleichen geschah. Selten hatte Brida Pfarrer Clemens so ausgesucht höflich erlebt. Formvollendet begrüßte er Jannick, hieß ihn in Heiligenhafen willkommen und dankte ihm für die Hilfe, die er seiner Verwandten hatte angedeihen lassen. Ein feines Lächeln umspielte Jannicks Lippen, während er den Geistlichen musterte.
»Ihr müsst mir nicht danken, Hochwürden. Jungfer Brida und ihr Vater sind Freunde der Familie. Sie haben meinem jüngeren Bruder Simon vor einiger Zeit aus einer üblen Verlegenheit geholfen. Es war mir eine Ehre, Jungfer Brida nun auch behilflich zu sein.«
»Kind, warum hast du mir davon nie erzählt?« Pfarrer Clemens wandte sich zu Brida um.
»Von unserer Hilfe für Simon?«, fragte sie und stellte sich dumm. »Nun, das war unsere Christenpflicht, und darüber gilt es keine großen Worte zu machen.«
»Deine Bescheidenheit ehrt dich, Brida.« Clemens strich ihr über die Wange,
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