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Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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als der Pfarrer herangekommen war. Welcher Gegensatz zu der Selbstsicherheit, mit der Kapitän Hinrich seinen Vetter begrüßt hatte! Ob er sich wohl auch so verhalten hätte, wenn Clemens nicht sein Vetter gewesen wäre? Sicher, denn Hinrich war kein Mann, der sich von irgendwem einschüchtern ließ.
    »Ich wusste doch, dass der Ärger machen würde«, stellte der Pfarrer mit Blick auf Erik fest.
    »Er hat keinen Ärger gemacht«, sprang Brida ihm bei. »Seyfried hat ihn angegriffen.«
    Der Pfarrer hob die Brauen.
    »Brida, du bist ein guter Mensch. Du glaubst, andere sind ebenso gut wie du, vor allem, wenn sie sich hinter einem gefälligen Äußeren verbergen. Aber der Feind lauert überall.«
    Erik merkte, wie sich seine Rechte zur Faust ballen wollte, aber er riss sich zusammen.
    »Stadtrat Claas, ich halte es für das Sicherste, Ihr nehmt diesen Mann in Gewahrsam, bis er endlich bereit ist, uns zu sagen, wer er wirklich ist.«
    »Soweit ich weiß, kann er sich nicht erinnern«, entgegnete der Stadtrat.
    »Ein paar Tage innere Einkehr haben schon so manchen dazu gebracht, sich an Ereignisse zu erinnern, die ihm entfallen waren. Und zudem ist es nur zu seinem Schutz, nicht wahr?«
    »Das könnt Ihr nicht verlangen!«, rief Brida. »Er hat doch niemandem etwas getan.«
    »Kind, ich habe dir schon einmal gesagt, dass du dich nicht von Äußerlichkeiten blenden lassen sollst. Woher willst du wissen, ob er niemandem etwas getan hat? Du kennst ja nicht einmal seinen wahren Namen.«
    »Also gut«, erklärte der Stadtrat. »Vermutlich ist es das Klügste, was wir derzeit tun können.« Dann maß er Erik mit prüfendem Blick. »Kommt Ihr freiwillig mit?«
    »Ja«, antwortete Erik. Er hatte sich gegen die Mauer des Speichers gelehnt und atmete schwer.
    »Gut. Ich habe nämlich noch einiges mit Euch zu besprechen.«
    »Ihr wollt ihn doch nicht etwa ohne Geleit mitnehmen?« Die hochgezogenen Brauen des Pfarrers trieben Erik zur Weißglut. Was glaubte der Mann? Dass er sich in seinem angeschlagenen Zustand auf den Stadtrat stürzen und ihn umbringen würde?
    »Stimmt«, sagte der Stadtrat. »Es sieht aus, als könne er sich nicht mehr lange auf den Beinen halten. Du da!« Er sprach den Seemann an, der Erik aufgeholfen hatte. »Komm mit und hilf ihm, falls es sein muss.«
    Eriks letzter Blick galt Brida. Trotz ihrer Empörung brachte sie ein Lächeln zustande. Vielleicht galt es ihm als Trost, vielleicht auch dem Umstand, dass Claas den Pfarrer wirkungsvoll in die Schranken gewiesen hatte.
    Ihr Ziel war das Rathaus. Es stand unmittelbar am Marktplatz. Erik war froh, dass sein Körper ihm noch immer so weit gehorchte, dass er seine Würde bewahren und auf die Hilfe des Seemanns, der neben ihm ging, verzichten konnte. Das Blut auf dem Hemd trocknete langsam und wurde zu einer harten Kruste. Der Schmerz in der Wunde war erträglich. Er lebte, das war das Wichtigste. Alles andere ergäbe sich schon. Dennoch konnte er sich eines Schauderns nicht erwehren, als sie das Rathaus betraten und Claas geradewegs auf eine Kellertreppe zuhielt. Der Stadtrat schickte den Seemann weg. Dann wandte er sich zu Erik um und wies auf die Treppe.
    »Nach Euch.«
    Wasser läuft am rauen Mauerstein hinab, an den Wänden hängen Ketten. Es riecht nach Moder, Fäulnis und Angst. Irgendwo schreit jemand …
    Erik zögerte.
    »Was ist?« Die Stimme des Stadtrats klang ungeduldig.
    »Nichts.« Erik stieg die Stufen hinab. Immerhin war es trocken, kein Geruch nach Moder, keine Schreie.
    Am Ende der Treppe lag eine Wachstube, in der zwei Männer an einem schlichten Holztisch beim Würfelspiel saßen. Als sie Erik und den Stadtrat sahen, ließen sie die Würfel rasch verschwinden und erhoben sich pflichtschuldig. Aus einem Oberlicht fiel Tageslicht in den Raum.
    »Die Eins«, sagte Claas nur.
    »Hohes Tier?«, fragte der eine Wächter, bekam aber gleich darauf einen Rippenstoß von seinem Gefährten, der sich diensteifrig vorschob.
    »Jawohl, Herr Stadtrat.« Er nahm einen Schlüssel von einem Haken, über dem eine römische Eins prangte. Dann schritt er den Gang weiter hinunter.
    »Nach Euch«, wiederholte der Stadtrat. Erik schluckte, folgte dem Wächter aber ohne Zögern.
    Die Eins erwies sich als Zelle am Ende des Gangs, auf derselben Höhe wie die Wachstube. Jetzt wusste Erik auch, was der Ausspruch hohes Tier zu bedeuten hatte. Dies war keine düstere Kerkerzelle, wie er befürchtet hatte, sondern ein schlicht eingerichteter Raum mit einer Pritsche, auf

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