Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
Kirche«, entfuhr es Erik. Der Pfarrer zog missbilligend die Brauen hoch, doch er sagte nichts dazu. Sofort bereute Erik seine losen Worte. Er durfte es sich nicht mit den Würdenträgern Heiligenhafens verscherzen.
»Ich glaube, wir sollten besser gehen«, schlug Brida vor. »Ich danke Euch für Euren Besuch und die Umstände, die Ihr Euch gemacht habt, Herr Pfarrer.«
»Achte gut auf dich, Brida«, sagte der Geistliche. Erik schenkte er keinen weiteren Blick.
Keiner sprach ein Wort, als sie die Stufen vom Kirchberg hinabstiegen. Irgendwann hielt Erik das Schweigen nicht mehr aus.
»Es war dumm von mir, den Pfarrer zu reizen.«
»Ja, das war es. Ich bin nur froh, dass Ihr Euch dabei noch zurückgehalten habt.« Brida lächelte ihn an. Er erinnerte sich an die kurze Berührung ihrer Hand.
»Pfarrer Clemens ist kein böswilliger Mann«, fuhr sie fort. »Er ist nur misstrauisch und leicht reizbar.«
»Und jemand wie ich erweckt natürlich Misstrauen.« Erik seufzte.
»Das ist es nicht allein. Clemens hatte eine Schwester, die lebte mit ihrer Familie auf Fehmarn.«
»Ja und?«
»Vor acht Jahren sind die Dänen auf Fehmarn eingefallen und haben auf Befehl ihres Königs zwei Drittel der Bevölkerung niedergemetzelt. Die Schwester des Pfarrers und ihre Familie waren unter den Opfern.«
Er schluckte. »Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mich mehr zurückgehalten.«
»Ihr tragt nicht die Verantwortung dafür.«
»Aber vielleicht war ich dabei.«
»Das glaube ich nicht.«
»Warum seid Ihr Euch so sicher, Jungfer Brida?«
Sie blieb stehen und blickte ihm in die Augen.
»Ihr würdet keine unschuldigen Menschen niedermetzeln.«
Die Wolken über dem Meer hatten sich weiter gelichtet, und das Blau des Himmels nahm einen immer größeren Raum ein. Erik sah, wie Leben in die Mannschaft des Kraiers kam, der noch immer im Hafen lag. Brida war seinem Blick gefolgt.
»Erinnert Euch der Anblick des Schiffs an irgendetwas?«
»Ich weiß nicht. Eine seltsame Vertrautheit, aber ich sehe keine Bilder.«
»Wollen wir zum Hafen gehen?«, schlug sie vor. Er nickte.
Gegenüber der Mole drang Musik aus einem der Häuser. Ein hölzernes Schild schaukelte sanft im Wind. Zur Seejungfrau stand darauf.
»Die Seejungfrau hat keinen sonderlich guten Ruf«, raunte Brida ihm zu. »Da wird viel gesoffen und gehurt, und man erzählt sich, es würden auch dunkle Geschäfte abgewickelt.«
Erik drehte sich erstaunt zu ihr um. Mit welcher Selbstverständlichkeit sie das sagte! Ohne jede Empörung, einfach nur als nüchterne Feststellung. Ganz anders als … ja, als wer? Die undeutliche Erinnerung an eine zierliche junge Frau tauchte auf. Sie war fein gekleidet in roten Samt, trug eine kostbare Haube mit Goldstickerei. Doch wie auch sonst verflüchtigte sich das Bild, als er es näher betrachten wollte.
Gelächter drang aus der Hafenschenke, eine Frau rief etwas, aber die Musik verhinderte, dass man ihre Worte draußen verstehen konnte. Das Gelächter wurde lauter. Plötzlich flog die Tür auf, und Seyfried stand mit hochrotem Kopf vor Brida und Erik. Er kniff die glasigen Augen zusammen, als müsse er sich versichern, dass die beiden Menschen vor ihm aus Fleisch und Blut waren.
»Na, da schau an, der Däne!«, brüllte er. »Versuchst hier wohl, uns auszuspitzeln, was?«
Als Erik den sauren Weingeruch in Seyfrieds Atem roch, wich er einen Schritt zurück. Ein Fehler, wie er gleich darauf erkannte, denn in Seyfrieds Blick blitzte es plötzlich vor Angriffslust, ganz so, als glaube er, sein Gegenüber habe Furcht vor ihm. Ohne Vorwarnung versetzte er Erik einen harten Stoß gegen die Brust. Ein heftiger Schmerz zog sich durch dessen Leib, und fast wäre er zu Boden gesunken. Nur ein schneller Ausfallschritt hielt ihn auf den Beinen. Der Saufbold hatte genau seine Wunde getroffen. Der Schmerz verwandelte sich in Wut, und für einen Moment war jedes klare Denken ausgelöscht. Noch ehe er begriff, was er tat, hatte sein Körper gehandelt und seine Faust zielsicher Seyfrieds Nasenbein getroffen. Mit einem Aufschrei ging der in die Knie, Blut strömte aus seinen Nasenlöchern.
Aus dem Wirtshaus stürzten weitere Männer heraus. »Was’n hier los?«, rief einer, starrte auf Seyfried, dann auf Erik.
»Dieser verfluchte Däne!«, stöhnte Seyfried. »Der Sauhund hat mich angegriffen.«
»Lasst uns bloß verschwinden«, raunte Brida Erik zu.
Noch bevor er nicken konnte, hatte ihn der erste der Männer beim Kragen gepackt.
»So,
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