Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
Euch nicht gelegen komme, sagt es, dann komme ich später wieder.« Irgendetwas stimmte nicht mit dem Stadtrat. Erik dachte daran, was Brida ihm über Claas’ Frau erzählt hatte.
»Nein, nein, es ist in Ordnung«, wehrte Claas ab. »Nehmt doch Platz. Wisst Ihr wieder, wer Ihr seid?«
»Nein, das nicht.« Erik setzte sich auf einen der Stühle. »Aber ich habe mich an eine Kogge erinnert. Ein stolzes Schiff mit einem Wappen auf dem Hauptsegel. Es kam mir sehr vertraut vor. Ich kann nicht ausschließen, dass es sogar das Wappen meiner Familie sein könnte.«
»Beschreibt es mir.«
»Es ist zweigeteilt. Ein schwarzer Adler auf goldenem Hintergrund und darunter ein goldener Sparren auf blauem Grund.«
Claas überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf. Wieder fiel Erik auf, wie schlecht der Stadtrat aussah. Sein Gesicht war aschfahl.
»Dieses Wappen ist mir unbekannt. Aber ich werde es herausbekommen. Gebt mir ein wenig Zeit.«
»Ich danke Euch.«
»War das alles, woran Ihr Euch erinnert habt?«
»Ja, obwohl …« Erik zögerte. Es waren doch so viele neue Bilder gewesen. »Da ist noch etwas. Ich weiß wieder, wie meine Mutter hieß. Grit. Sie ist Dänin, der Hof in Vordingborg gehörte ihrem Vater.«
»Und Euer Vater? Ist er Deutscher?«
»Ich weiß es nicht. Aber wenn Eure Vermutungen stimmen, dann müsste er es sein. Vielleicht solltet Ihr in Lübeck nach dem Wappen forschen lassen. Ich habe schon Kapitän Cunard gefragt, aber …«
»Ihr habt mit Cunard gesprochen?«, unterbrach Claas ihn. »Kannte er das Wappen?«
»Dann hätte ich Euch doch nicht damit belästigt.«
Claas nickte. »Ihr habt recht. Nun, wie mir scheint, habt Ihr Euch seit gestern an einiges erinnert. Ihr versteht Euch auf Waffen, Ihr wisst wieder, welchen Namen Eure Mutter trug. Ist Euch auch bekannt, zu welchem Geschlecht sie gehört? Oder wie Euer Großvater aus Vordingborg heißt?«
»Nein, dann hätte ich es Euch gesagt.«
»Vielleicht braucht Ihr meine Hilfe bald gar nicht mehr. Möglicherweise wisst Ihr demnächst wieder, wer Ihr seid.«
»Wobei Ihr eher in Erfahrung bringen wollt, ob ich Däne oder Deutscher bin, nicht wahr?«
»Wenn wir Euren Namen wissen, kennen wir auch Eure Herkunft.« Claas erhob sich. »Verzeiht, wenn ich ungastlich erscheine, aber ich habe noch einiges zu tun.«
»Ich muss mich für die Störung entschuldigen«, sagte Erik und stand ebenfalls auf. »Ich hoffe, ich habe Euch nicht zu viel Zeit geraubt.«
»Nein, ganz und gar nicht.« Der Stadtrat bemühte sich um ein Lächeln, doch es wirkte gequält. Ob es seiner Frau wohl schlechter ging?
Als er das Rathaus gerade verlassen wollte, sah er, wie Johanna mit dem Schreiber sprach, der ihn so von oben herab behandelt hatte. Sie lachte keck, warf den Kopf zurück, dann verschwand sie mit ihm in einer der Amtsstuben. Erik merkte, wie sich seine Rechte zur Faust ballte.
1. »Nein! Sie werden dich töten.«
2. »Nein! Sie werden dich töten.«
9. Kapitel
I hr wollt wirklich schon heute Abend wieder auslaufen?« Brida sah Cunard enttäuscht an. »Ich dachte, die Adela bleibt ein paar Tage.«
»Du weißt doch, wir sind auf kürzestem Weg von Rostock gekommen, damit ich mit deinem Vater abrechnen kann. Aber den Landurlaub wollen die Männer in Lübeck nehmen.«
Brida nickte. Lübeck bot natürlich viel mehr Abwechslung als Heiligenhafen, und einige Besatzungsmitglieder hatten dort Familie.
»Brida …« Der Klang in Cunards Stimme ließ sie aufhorchen. So hatte er ihren Namen noch nie ausgesprochen.
»Ja?«
»Ich … ich bin nicht nur deshalb sofort nach Heiligenhafen gesegelt, um deinem Vater seinen Anteil auszuzahlen. Ich wollte vor allem dich sehen.«
»Und trotzdem willst du gleich wieder nach Lübeck.« Sie hob scherzhaft drohend den Zeigefinger.
»Das ist doch nur wegen der Mannschaft.« Er hielt kurz inne, dann holte er tief Luft. »Brida, ich habe es mir in den letzten Monaten auf See immer wieder ausgemalt. Immer wieder über den Augenblick nachgedacht, wenn ich dich wiedersehe. Ich wollte deinen Vater fragen. Aber vorher möchte ich wissen, ob es in deinem Sinne ist.«
Wie er sie ansah! Und dann dieser feierliche Ton. Einen Augenblick lang war sie verwirrt, dann begriff sie.
»Cunard, du …«, wollte sie ansetzen, doch er ließ sie nicht aussprechen.
»Brida, willst du meine Frau werden?«
Er sah sie an, aus treuen Augen, die ihr eine gesicherte Zukunft versprachen.
»Ob ich …« Sie brach ab. Was sollte sie antworten?
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