Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
weil sie die Heilkundige des Orts war. Sie brachte ihm menschliche Wärme entgegen, weil dies ihre Art war, nicht weil er ihr gefiel.
Belüg dich nicht!, durchzuckte es ihn. Du gefällst ihr, und du weißt es auch. Sie hat es dir oft genug gezeigt.
Brida führte ihn mit der Begeisterung eines Kindes durch das Schiff. Cunard hatte sich in seine Kajüte zurückgezogen, um die Abrechnungen für Hinrich vorzubereiten. Erik war froh darüber.
Die Adela war zwar ein Handelsschiff, aber sie war auch bewaffnet. Voller Stolz zeigte Brida ihm die Kanonen, fünf Stück an jeder Seite.
»Die hat mein Vater schon angeschafft, als ich noch ein Kind war. Zum Glück haben wir sie nur einmal gebraucht. Habe ich Euch erzählt, wie es war, als uns die Kaperfahrer verfolgten?«
»Ihr erwähntet nur, dass Ihr ihnen entkommen seid.« Er beobachtete, wie Brida beinahe liebevoll über die Kanonen streichelte. »Habt Ihr die Kanonen gebraucht?«, fragte er.
Brida nickte. »Es war ein Konvoi von drei Kaperschiffen. Nun, einer kam uns ziemlich nahe. Der hat eine volle Breitseite abgekriegt, und der Hauptmast ist ihm weggebrochen. Da war’s aus mit dem Verfolgen.« Ihre Augen blitzten, als würde sie den Triumph nochmals erleben. »Auf den anderen beiden Schiffen war man sich offenbar unschlüssig, ob man sich weiter an uns heranwagen sollte oder lieber nicht. Die Adela hat hart am Wind gedreht und ihnen eine weitere Breitseite verpasst, um den Seeräubern die Entscheidung zu erleichtern. Die hat zwar nur ein Loch oberhalb der Wasserlinie in eines der verbliebenen Schiffe geschlagen, aber wir waren ohnehin schneller.«
»Andere Mädchen hätten bestimmt vor Angst gezittert.«
»Ich war nie wie andere Mädchen. Und ich bin auch nicht wie andere Frauen.«
»Nein, das seid Ihr nicht. Ihr seid außergewöhnlich, Brida.«
Sie lachte. »Ist das nun ein Kompliment, oder benennt Ihr einen Makel?«
»Das ehrlichste Kompliment, das ich Euch machen kann. Denn es zeichnet Euch aus. Viele Frauen sind schön, warmherzig und liebenswert. Ihr seid all das zusammen, aber gleichzeitig noch viel mehr. Jeder Mann mit Verstand würde von einer Frau wie Euch träumen.«
Sie starrte ihn an, und diesmal hatte er das Gefühl, das Blut schösse ihm in den Kopf. Warum um alles in der Welt hatte er nicht den Mund gehalten? Es war weder der rechte Ort noch die rechte Zeit für solche Reden. »Verzeiht«, sagte er. »Ich bin wohl etwas zu weit gegangen.«
»Nein, das seid Ihr nicht. Es waren wunderschöne Worte.«
Nie zuvor waren ihm ihre Augen so blau vorgekommen. Wie sie ihn gefangen hielten und festnagelten! Verdammt, er war wirklich zu weit gegangen. Er hatte Hoffnungen in ihr geweckt. Hoffnungen, die ein Mann ohne Namen und Gedächtnis nicht erfüllen konnte. Auch wenn er es nur zu gern getan hätte.
»Meint Ihr, Claas hält sich zurzeit im Rathaus auf?«, fragte er und hätte sich gleichzeitig ohrfeigen mögen, weil er den Zauber des Augenblicks so plump zerstörte.
»Ja«, antwortete sie. Ein leiser Anflug von Enttäuschung schwang in ihrer Stimme mit. »Vormittags ist er oft dort.«
»Dann sollte ich gleich gehen. Ehe sich zu viele Trunkenbolde in der Seejungfrau begegnen und auf dumme Gedanken kommen, wenn sie mich sehen.« Er versuchte ein Lächeln, doch es wirkte gezwungen.
»Soll ich Euch begleiten?«
»Das ist nicht nötig. Ihr habt Euch so gefreut, die Adela wiederzusehen. Und wer weiß, ob es Eurem Ruf nicht schadet, allzu häufig allein in meiner Begleitung gesehen zu werden.«
»Glaubt Ihr? Ob ich nun Euch begleite oder allein auf ein Segelschiff voller Männer klettere …« Sie lächelte ihn verschmitzt an. Es war dasselbe Lächeln, das er von ihrem Vater kannte.
»Immerhin sind Euch diese Männer wie Brüder und Onkel, wenn ich mich recht erinnere. Keine dänischen Mordbuben mit zweifelhafter Vergangenheit.«
Brida verschränkte die Arme vor der Brust. »Ihr redet genauso wie unser Herr Pfarrer. Wer weiß, ob Ihr nicht doch dem geistlichen Stand angehört.«
Erik lachte, und sie fiel in sein Lachen ein. Die Schwere war verschwunden.
»Passt gut auf Euch auf!«, rief sie ihm hinterher, als er sich über die Reling schwang. Der Landesteg war zwar längst ausgefahren, aber er hatte das Gefühl, einer Frau wie Brida einen verwegeneren Abgang bieten zu müssen.
Es war ein seltsames Gefühl, allein in Richtung Rathaus zu gehen. Niemand beachtete ihn sonderlich. Vermutlich weil er in Hinrichs alter Seemannskleidung aussah wie die
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