Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
einmal hören?«
Auf einmal war die Erinnerung an jenen Abend so lebendig, als hätte sie wieder bei ihm unter der Weide gestanden. Als sie sich so sehr nach seinem Bekenntnis gesehnt hatte. An ihren Zorn, weil er schwieg, ihr sogar noch zuredete, Cunard zu ehelichen. Und dann die Erleichterung, als er sich ihr doch noch erklärte. Damals war es nur ein Traum gewesen, unerreichbar und nicht zu erfüllen.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Vor allem als sie seinen Blick auffing, in dem sich Unsicherheit mit Zuneigung mischte. Endlich war er wieder der, der er immer gewesen war. Ganz gleich, wie viele Händel er in der Vergangenheit ausgetragen haben mochte. Sie hatte ihn so kennenlernen dürfen, wie er wirklich war. Ein Mann, der sich keinem Status verpflichtet fühlen konnte, weil all dies ihm genommen war.
»Ja, ich will es hören.«
Simon erhob sich. »Brida Dührsen«, sagte er feierlich, »ich habe dir Folgendes versprochen: Wenn ich wieder weiß, wer ich wirklich bin, wenn keine Schande auf meinem Namen liegt und ich keiner Frau verpflichtet bin, dann werde ich dich bitten, die Meine zu werden. Du kennst inzwischen meinen Namen. Ich bin keiner Frau verpflichtet, selbst wenn mein Vater eine Ehe mit Kathrin von Oldesloe anbahnen möchte. Ich habe ihm gesagt, dass ich Kathrin nicht heiraten will. Weil ich dich liebe, Brida. Nur dich. Willst du meine Frau werden? Dann werde ich alles in Bewegung setzen, damit es wahr wird.«
Sie sprang auf. »Ja! Ja, ich will, dass du es möglich machst!«
Er nahm sie in die Arme, behutsam, sanft. »Glaubst du, dass dein Vater mit mir einverstanden wäre? Er hätte doch so gern Cunard zum Schwiegersohn.«
»Weil er nicht wollte, dass ich mich unerreichbaren Träumereien hingebe. Mein Herz an einen Mann ohne Gedächtnis verschenke. Doch es war längst zu spät. Ich liebe dich, Simon.«
Er zog sie fester an sich. Sie spürte seine Wärme, seinen Atem, der ihr Gesicht streifte. Und dann tat er es endlich. Das, was sie sich so lange in ihren Träumen ausgemalt hatte. Seine Lippen fanden die ihren, erstaunlich weich und zart, aber doch voller Leidenschaft und Begehren. Sie schlang die Arme um ihn, wild und ungestüm. Nie wieder wollte sie ihn loslassen.
Sie hörte kaum das Klopfen an der Tür, alles war ihr in diesem Moment gleich. Auch Simon schien das Geräusch nicht wahrzunehmen. Erst als ein Räuspern die Stille durchbrach.
»Ich wollte dich eigentlich nur fragen, ob du den Bericht für Vater fertig hast.« Jannick stand im Türrahmen und musterte die beiden schmunzelnd.
»Du hättest warten können, bis ich dich hereinbitte.« Simon ließ Brida los und trat zum Schreibtisch. »Hier ist der Bericht.« Er hielt seinem Bruder das Pergament entgegen.
Jannick nahm es, blieb aber stehen.
»Was ist noch?« Simon wurde ungeduldig.
»Was ihr da gerade tut, halte ich nicht für sonderlich klug.«
»Ich habe Brida soeben gebeten, meine Frau zu werden.«
»Ohne das Einverständnis eurer Väter? Ich dachte, Brida ist verlobt.«
»Nein, das bin ich nicht«, widersprach sie heftig. »Ich habe Cunards Antrag bislang mit keinem Wort angenommen. Mein Vater weiß das.«
»Das war Elisabeths Einfall, nicht wahr?« Simon runzelte die Stirn. »Cunard einzuladen und dann so zu tun, als sei alles längst beschlossen?«
»Sie hat es nur gut gemeint«, erwiderte Jannick. »Sie wusste nicht, dass ich in eurem Sinn auf Vater einzuwirken versuche.«
»Und hattest du Erfolg?« Simon verschränkte die Arme vor der Brust.
»Gib mir noch ein bisschen Zeit. Ich habe dir versprochen, dass ich mich für dich verwende, und meist hört Vater auf mich. Aber das ist nur möglich, wenn Bridas Ruf makellos bleibt. Also keine verborgene Liebschaft.« Er hielt kurz inne. »Ich schlage vor, dass Barbara uns morgen begleitet, um Bridas Ruf zu schützen.«
»Brida braucht keine Anstandsdame und ich erst recht nicht!«
»Das mag ja sein. Aber ich brauche sie, um deine Wünsche bei Vater durchzusetzen. Jungfer Brida, ich glaube, es ist an der Zeit für uns zu gehen. Es ist schon spät, und wir müssen morgen früh aufbrechen.«
Jannick hielt ihr die Tür auf. Sie nickte, dann wandte sie sich noch einmal an Simon. »Gute Nacht«, sagte sie leise. Bevor er antworten konnte, hatte sie seine Kammer verlassen.
16. Kapitel
S eit Monaten die erste Nacht im eigenen Bett. Die erste Nacht, seit er wieder seinen Namen kannte. Die erste Nacht ohne Albträume. Simon war zu Hause.
Viel zu früh weckte ihn ein hartes
Weitere Kostenlose Bücher