Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
dagegen?«
»Nein, nicht gegen die Verbindung. Aber mir tut ihr Verlobter leid. Er ist ein anständiger, netter Mann. Hat er es wirklich verdient, dass du ihm seine Braut nimmst?«
»Ich nehme ihm gar nichts!«, fuhr Simon seine Schwägerin heftiger an als beabsichtigt. »Er kennt Brida seit Jahren. Sie ist in einem Alter, da sind die meisten Frauen längst verheiratet und haben Kinder. Hätte er sie doch früher gefragt! Außerdem hat sie ihm nicht zugesagt, sondern mir! Und ich hätte sie noch am gleichen Tag wie er gefragt, wäre ich mir sicher gewesen, wer ich bin. Hast du eine Ahnung, wie es ist, wenn man keinen Namen mehr hat, keine Vergangenheit und kein Volk? Wenn man immer nur Bilder sieht, die sich nicht einordnen lassen? Kannst du dir vorstellen, dass ich mich für einen Dänen hielt? Ausgerechnet ich? Ein Mann ohne Vergangenheit darf nicht an die Zukunft denken. Das kann ich erst wieder seit gestern, und ich werde Brida heiraten, denn sie ist die Richtige für mich.«
Elisabeth senkte den Blick. »Verzeih, Simon, ich wollte dich nicht kränken. Ich habe immer nur Kapitän Cunard vor Augen, wie er Brida betrachtet. Es wird ihn schmerzlich treffen.«
»Er wird es überleben.«
»Davon gehe ich aus. Aber du solltest es ihm sagen. Du selbst, Simon. Nicht Brida. Und zwar noch heute. Das bist du ihm und ihr schuldig.«
»Und was soll ich ihm sagen? Dass ich ihm die Braut ausgespannt habe?«
»Nein, du solltest die gleichen Worte wählen wie mir gegenüber. Aber vielleicht etwas weniger heftig und ohne Vorwurf. Mach ihn dir nicht zum Gegner!«
Elisabeths Ratschlag hatte seine Leidenschaft ein wenig abgekühlt.
»Du hast recht, er ist ein anständiger Kerl. Aber soll ich deshalb auf die Frau verzichten, die ich liebe? Du hast dich niemals in dieser Lage befunden. Für dich war immer klar, dass du Jannicks Frau wirst.«
»Ach, Simon …« Elisabeth schüttelte den Kopf. »Glaubst du, ich hätte niemals nach einem anderen Mann geschaut?«
»Du?« Er bekam große Augen.
Elisabeth lachte. »Du musst los, sie warten schon auf dich.«
Von dem strahlenden Sonnenschein des vergangenen Tages war nichts mehr geblieben. Über Nacht war eine schwarze Wolkendecke aufgezogen, und es regnete in Strömen. Barbara verzog unwillig das Gesicht, als sie einen Blick vor die Tür warf.
»Bis zum Hafen hinunter sind wir so nass, als wären wir unter dem Schiff durchgetaucht.«
»Das trocknet auch wieder«, sagte Simon. Brida lachte und zwinkerte ihm vergnügt zu. Das schätzte er so an ihr. Weder Wind noch Wetter oder Mäuse brachten sie jemals aus der Ruhe. Er konnte sich bildlich vorstellen, wie sie als Kind an der Seite ihres Vaters jedem Sturm an Bord der Adela getrotzt hatte. Die Adela … Bei dem Gedanken an das Schiff ihres Vaters kehrte sofort der Gedanke an Cunard zurück. Elisabeth hatte recht, es war seine Pflicht, den Kapitän darüber in Kenntnis zu setzen, dass auch er um Bridas Hand angehalten und dass sie zugesagt hatte. Nur wann? Die Adela lag am anderen Ende des Hafens bei den Nowgorodfahrern. Sollte er es sofort tun? Oder erst wenn Cunard in Heiligenhafen anlegte? Lieber erst in Heiligenhafen, dachte er bei sich. Wenn ich mit Bridas Vater gesprochen habe.
Die Elisabeth war so schön und stolz, wie Simon sie in Erinnerung hatte. Selbst Jacob von Oldesloe hatte kein derart prächtiges Flaggschiff in seiner Handelsflotte. Genau wie die Adela war auch die Elisabeth bewaffnet. Fünf Kanonen an jeder Seite, die schon so manchen Kaperfahrer auf Abstand gehalten hatten.
Barbara lief behände über den Landungssteg an Bord, um sich in Jannicks Kajüte vor dem nassen Wetter in Sicherheit zu bringen. Brida folgte ihr erheblich langsamer, begutachtete das Schiff, als wäre sie ein Seemann, strich ungeachtet der Regentropfen, die dunkle Flecken auf ihrem Kleid hinterließen, über das feuchte Holz der Reling.
»Gefällt sie Euch, Jungfer Brida?«, fragte Jannick, dem ihre Aufmerksamkeit nicht entgangen war.
»Sie ist wunderschön. Wie alt ist sie? Zehn Jahre?«
Jannick lachte. »Ihr seid bemerkenswert, Jungfer Brida. Die Elisabeth lief vor acht Jahren vom Stapel. Wie konntet Ihr das Alter so gut schätzen?«
»Mein Vater hat es mir vor Jahren erklärt. Seit etwa zehn Jahren setzt man die Spanten etwas anders als noch bei der Adela .«
»Pass nur auf, Jannick! Von Brida könnte mancher Kapitän noch etwas lernen.« Simon grinste.
»Das merke ich schon. Aber nun lasst uns auch in die Kajüte gehen, hier
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