Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
Zafira das Opfer, das ich für sie nicht hatte bringen wollen. Sie ließ sich taufen und nahm meinen Glauben an. Ich betrachtete es damals nicht als Opfer, sondern dachte, ich hätte ihre Seele vor der Verdammnis gerettet. Und sie wollte mir nur zu gern glauben.« Hinrich seufzte. »Wir heirateten, und ich war davon überzeugt, nun könnten wir für alle Ewigkeiten glücklich sein.« Er hielt einen Moment lang inne. Brida sah das feuchte Schimmern in den Augen ihres Vaters. »Aber Zafira wurde nicht glücklich. Es fiel ihr schwer, sich in der fremden Umgebung einzuleben, fernab ihrer Familie, die sie niemals wiedersehen würde. Für die sie wegen ihrer Sünde als tot galt. Sie litt darunter, wenn ich auf langen Reisen war. Dann wurde sie schwanger, und wir hofften beide, dass ihre Schwermut sich nach der Geburt des Kindes, das wir uns beide so sehr wünschten, verlieren würde.« Hinrichs Stimme stockte. »Ich werde nie erfahren, ob sich unsere Wünsche erfüllt hätten, denn sie starb kurz nach der Geburt. Aber unser Sohn Robert war ein kräftiger Junge, und er gedieh prächtig, auch wenn ich nicht viel Zeit mit ihm verbringen konnte, denn ich hatte inzwischen mein erstes Schiff als Kapitän übernommen.«
»Ich habe einen Bruder?« Brida starrte ihren Vater fassungslos an. »Warum hast du nie von ihm erzählt?«
Hinrich senkte den Blick. »Er war fünf, fragte mich immer, wann ich ihn endlich mit auf Fahrt nähme. Ich vertröstete ihn. Er war noch zu klein, ich hatte Furcht, ihm könnte was widerfahren.«
»Du hast mich schon mitgenommen, als ich kaum laufen konnte. Und ich war ein Mädchen.«
»Ja, Deern. Denn als ich zurückkam, erfuhr ich, dass Robert während meiner letzten Reise einem schweren Fieber erlegen war, das zahlreiche Kinder hinweggerafft hatte.« Eine einzelne Träne stahl sich aus ihres Vaters Auge. Hastig wischte er sie fort.
»Das war die Geschichte der großen Liebe. Sie hat Zafira das Leben gekostet, und es war uns auch nicht bestimmt, dass etwas überdauerte. Vermutlich hat Gott den kleinen Robert zu sich gerufen, um mich für meinen Hochmut zu strafen.«
Eine Weile schwiegen Vater und Tochter.
Schließlich brach Brida das Schweigen. »Und Mutter hast du nicht geliebt?«, fragte sie zaghaft.
»Doch, aber das war eine ganz andere Liebe und eine ganz andere Geschichte. Nach Roberts Tod war alles leer, und ich verschloss alle Gefühle tief in meiner Brust. Meine Ehe mit deiner Mutter war eine Zweckgemeinschaft, aus der sich erst langsam Liebe entwickelte. Sie war eine Kapitänstochter, schon etwas älter, aber noch immer unverheiratet. Ihr Vater war überraschend gestorben, und sie suchte einen Mann, der sein Schiff führen konnte. Sie hatte zudem Schwierigkeiten mit einem entfernten Verwandten, der ihr das Erbe streitig machen wollte und versuchte, die Vormundschaft über sie zu erlangen. Wir haben geheiratet, um ihren rechtlichen Stand abzusichern. Daraufhin musste der lästige Erbschleicher sich geschlagen geben.« Ein flüchtiges Lächeln huschte über Hinrichs Gesicht. »Glaub mir, Brida, obwohl ich Zafira mit kaum vorstellbarer Inbrunst geliebt habe, die glücklichere Ehe führte ich mit deiner Mutter Mathilde. Vielleicht gerade deshalb. Zuneigung und gegenseitige Achtung hatten wir uns von Anfang an entgegengebracht. Mehr hatten wir beide nicht erwartet. Umso glücklicher waren wir, als sich die Gefühle langsam vertieften und mit deiner Geburt gekrönt wurden.« Hinrich seufzte, und diesmal spürte Brida, wie auch ihr das Herz schwer wurde. Sie hatte keine deutlichen Erinnerungen an ihre Mutter, die starb, als sie knapp drei Jahre alt war.
»Hast du mich deshalb von Anfang an mit auf alle unsere Fahrten genommen, Vater? Weil Robert starb, als du nicht da warst?«
Hinrich nickte. »Ich wollte nicht Gefahr laufen, dich ebenso zu verlieren wie ihn. Und ganz gleich, was die Menschen sagten, bei mir auf’m Schiff, da warste sicherer als in der Stadt mit all ihren Seuchen, die sogar einen kräftigen Jungen wie Robert dahinraffen konnten.«
Wieder herrschte eine Weile Schweigen.
»Dir wäre es nach wie vor lieber, wenn ich Cunard heirate, nicht wahr?«
Hinrich nickte. »Gleich zu gleich, Brida. Alles andere bringt nur Schmerz und Trauer.«
»Nur ist Simon kein Maure. Uns trennen keine unüberwindbaren Grenzen so wie dich und Zafira. Wir sind uns ebenbürtig. So wie du und Mutter.«
»Ach, Deern, möchtest du unbedingt deine eigenen Fehler machen und nicht aus meinen
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