Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
ich’s mir dachte. Deern, der Simon mag ein aufrechter, anständiger Kerl sein. Aber er ist ein von Wickede.«
»Ja und? Ist der Ruf der Familie etwa schlecht? Oder seiner? Wirfst du ihm seine Jugendsünden vor?«
Ihr Vater schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht, Deern.«
»Was ist es dann?«
»Geld heiratet immer zum Geld. Die von Wickedes sind eines der reichsten Patriziergeschlechter. Sie stellen seit über hundert Jahren die einflussreichsten Ratsherren und so manchen Bürgermeister. Glaubste wirklich, Simons Vater lässt zu, dass sein Jüngster eine einfache Kapitänstochter heiratet?«
»Simons Bruder Jannick wird sich für uns verwenden.«
»Brida, kein Mensch heiratet aus Liebe. Eine Ehe ist ein Bündnis zwischen zwei Familien. Da geht’s um Geld und Einfluss. Du hast da nichts zu bieten. Denk mal nach. Was bleibt, wenn die Liebe irgendwann erkaltet? Du kennst ihn seit kaum einem Monat.«
»Aber wir haben ihn so kennengelernt, wie er wirklich ist«, widersprach Brida. »Ein Mann ohne Vergangenheit, der uns nichts vorspielen musste.«
Ihr Vater seufzte. »Das mag sein, aber inzwischen hat er seine Erinnerungen wieder. Er entstammt einer reichen, mächtigen Familie. Ob er es will oder nicht, jetzt muss er sich wieder in seine Rolle fügen. Und glaubst du wirklich, dass Segen auf einer Ehe liegen kann, die gegen den Willen seines Vaters geschlossen wird?«
Brida schluckte. »Wir wollen nicht gegen den Willen seines Vaters heiraten. Jannick hat uns verspro…«
»Ach was!«, fuhr Hinrich ihr barsch über den Mund. »Deern, glaub mir, es liegt kein Segen auf einer Ehe aus Leidenschaft.«
»Woher willst du das wissen?« Auch Bridas Stimme war lauter geworden. Einen Wimpernschlag lang hatte sie den Eindruck, ihr Vater sei zusammengezuckt. Zugleich war sie sich aber sicher, dass dies nicht an ihrer Widerrede gelegen hatte.
Seine nächsten Worte bestätigten ihr Gefühl.
»Ach, Brida«, sagte Hinrich leise. »Vielleicht muss ich dir doch etwas erzählen, das ich eigentlich für immer überwunden glaubte.«
Schmerz flackerte in seinen Augen auf. Kein körperlicher Schmerz, sondern etwas, das viel tiefer lag.
»Ich weiß besser, was in dir vorgeht, Deern. Vielleicht weil ich es selbst bis zur bitteren Neige ausgekostet habe.« Er atmete noch einmal tief durch, dann fuhr er fort. »Du erinnerst dich an die alten Geschichten, damals, als ich noch ein junger Mann war und mein Schiff vor der Küste Spaniens verlor, nicht wahr?«
Brida nickte.
»Nun, ich habe dir damals nicht alles erzählt. Zum einen, weil du noch ein Kind warst, aber auch deshalb, weil die Erinnerung grausam war. Wenn ein Bild, das den Geist eigentlich mit Freude erfüllen sollte, nur noch Trauer und Qual hervorruft, dann gibt es keine Worte mehr. Jedenfalls keine Worte, die ein Kind hören sollte. Aber nun bist du kein Kind mehr.«
»Was ist dort geschehen?«
»Das, was dir mit Eri… äh, Simon widerfahren ist. Ich war der Fremde, der von Mauren gerettet wurde. Wenn der Dorfälteste sich meiner nicht angenommen hätte, weil er sich trotz seines muslimischen Glaubens christlicher verhielt als so mancher Mann in diesem Land, dann wäre es mir schlecht ergangen.«
Brida nickte. Diesen Teil der Geschichte hatte sie oft gehört.
»Ich habe es ihm schlecht gedankt.« Ihr Vater senkte den Blick. »Seine jüngste Tochter Zafira war wie eine wilde Rose. Ich habe sie vom ersten Augenblick an geliebt, und sie erwiderte meine Gefühle. Doch eine Verbindung zwischen uns beiden war nicht möglich. Ihr Vater wollte mir eine Brücke bauen, doch die konnte ich nicht überschreiten. Ich hätte dem Christentum entsagen und mich zu Zafiras Glauben bekennen müssen. Dann hätte er mir ihre Hand gewährt.« Hinrich seufzte. »Wie hätte ich das tun können? Keine Leidenschaft wiegt das Seelenheil auf, keine Liebe darf über der Liebe zu Gott stehen. Dennoch wollten wir nicht voneinander lassen, und so habe ich Zafira überredet, mit mir zu fliehen. Unsere Liebe machte uns für alle Widrigkeiten blind. Wir glaubten, nur durch unsere Liebe die Welt zu verändern. Alles würde gut, solange wir zusammen wären.« Der alte Kapitän schaute Brida eindringlich an. »Kommt dir das bekannt vor, Deern?«
Brida wurde der Hals eng. Wortlos nickte sie.
»Nun, die Kraft unserer Liebe half uns tatsächlich, unversehrt bis nach Hamburg zu kommen. Dort hatte ich genügend einflussreiche Freunde, um bald wieder eine gute Heuer zu bekommen. Aus Liebe zu mir brachte
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