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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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dort nichts zu suchen haben.«
    »Wolfskinder.«
    »Polackenpack. Hätten im Osten beim Iwan bleiben sollen. Was wollen
die in Hamburg?«
    »Überleben. Namen?« Jetzt erst zieht Stave sein Notizbuch hervor.
    Meinke schüttelt den Kopf. »Hätte ich gewusst, dass ich einen von
denen mal bei der Polente verpfeifen könnte, hätte ich die nach ihren
Visitenkarten gefragt. Aber ich weiß nicht, wie die heißen. Die störten. Und
als sie uns zu viel störten, da haben wir uns ein paar Baulatten genommen und
ihnen die Sache erklärt. Ich glaube, dass sie nun woanders klauen, aber hier
nicht mehr.«
    »Aber Adolf Winkelmann war gar kein Wolfskind.«
    »Das wussten alle. Er tat sich immer groß mit seinen
Schwarzmarktgeschäften. Hier ein Glimmstengel, dort ein Glimmstengel. Wenn er
so dick im Geschäft war, warum stolpert er dann hier herum? Wir klauen Kohle,
aber das ist tausendmal ehrenhafter, als am Hansaplatz Butter in Schuhcremekisten
zu schmuggeln oder alten Säufern Industriealkohol als Schnaps anzudrehen, bis
sie davon blind werden. Wahrscheinlich ist Adolf deshalb gerne mit den
Wolfskindern losgezogen. Die waren die Einzigen, bei denen er geduldet war.
Wahrscheinlich hat er sie bezahlt, die lassen sich ja für alles bezahlen, wenn
Sie verstehen, was ich meine.«
    »Ich bin im Bilde. Bezog Adolf Winkelmann auch Prügel, als ihr die
Wolfskinder von den Bahngleisen hier vertrieben habt?«
    Der Junge schweigt lange. »Nun hängen Sie mir mal nichts an, Herr
Kommissar.«
    »Hast du ihn vertrimmt oder nicht? Ich werde so lange fragen, bis
ich die Antwort kenne. Zur Not hole ich mir eine Hundertschaft Schupos und
sperre diese Gleise, bis euch der letzte Kohlebrocken ausgegangen ist.«
    Jim Meinke starrt in den Himmel, schließlich seufzt er theatralisch
und breitet die Hände aus. »Ich hätte ihn wirklich gerne verhauen. Habe ich
aber nicht. Niemand hier. Wir waren nicht schnell genug.«
    »Wofür?«
    Der Junge macht eine wegwerfende Geste. »Sie erfahren es ja doch.
Adolf war ein Amateur. War selten auf den Zügen. Das ist nicht so einfach, auf
einen Waggon zu springen. Von der Seite sieht so ein Zug zwar groß und langsam
aus, aber laufen Sie mal nebenher und springen dann auf, mit einem Sack am
Gürtel oder in der Hand. Sie müssen die Trittstufe treffen und sich
gleichzeitig irgendwo mit der Hand festkrallen. Nicht leicht im Sommer.
Ziemlich schwer im Winter, wenn alles vereist ist und Ihre Hände steif und taub
sind wie die von einem alten Schullehrer. Im Winter sind die Kohlen auf den
Güterwagen außerdem festgefroren. Da schaufeln Sie nicht in ein paar Sekunden
Ihren Sack voll. Da müssen Sie die Brocken mit bloßen Händen losbrechen. Und es
zieht da oben erbärmlich. Und außerdem sind die gefrorenen Kohlen auch glatt …«
Seine Stimme verliert sich.
    »Und weiter?«, drängt Stave.
    »Uwe Oldenburg, einer von meinen Jungs, hat eines Morgens auf einem
Waggon das Gleichgewicht verloren. Hat geschrien, dann ist er abgestürzt, nach
hinten weg, nicht zur Seite. Uwe geriet zwischen die nächsten Wagen und die
Schienen. Blieb nicht allzu viel von ihm übrig, als der Zug endlich
vorbeigerattert war. Komisch war aber, dass der Uwe eigentlich ein guter
Kletterer war. Der ist nie vorher abgerutscht, hat nie das Gleichgewicht verloren.
Nur an diesem verflixten Tag. Und zufällig stand ein anderer Junge damals mit
ihm oben auf den Kohlen.«
    »Adolf Winkelmann.«
    »Erraten. Wir haben uns zuerst um unseren Kameraden gekümmert, aber
da war nichts mehr zu machen. Dann sehe ich auf, will diesen Kerl zur Rede
stellen. Weg, einfach verschwunden. Er muss abgehauen sein, als wir noch an den
Gleisen bei Uwe standen. Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe.
Glauben Sie mir, ich hätte diesen Adolf Winkelmann gerne noch einmal
getroffen.«
    »Du meinst, er hat deinen Freund vom Kohlewagen gestoßen?«
    Achselzucken. »Gestoßen? Keiner hat das gesehen. Vielleicht war er
bloß ungeschickt, ein Amateur halt. Verliert das Gleichgewicht da oben oder
hämmert zu stark auf den festgefrorenen Brocken herum. Dabei stößt er irgendwie
an den anderen und Ende der Vorstellung.«
    »Könnte auch sein, dass Adolf Winkelmann den anderen Jungen gar
nicht berührt hat. Aber als der abstürzte, ahnte er sofort, dass ihr ihn für
den Schuldigen halten würdet. Und dass ihr es ihm heimzahlen wollt.«
    »Auf jeden Fall hat er sich davongemacht. Und das ist alles, was ich
weiß.«
    »Wann war das?«
    »Ziemlich am Ende des

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