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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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Winters.«
    »Februar? März?«
    »Herr Kommissar, ich bin froh, wenn ich weiß, wie alt ich bin. Was
fragen Sie mich da immer nach Monaten und Tagen? Ist doch nicht wichtig.«
    »Für mich schon. Und für dich vielleicht auch.«
    »Bin ich verdächtig? Haben Sie mich auf dem Kieker? Das können Sie
mir nicht anhängen.«
    »Rache ist ein gutes Motiv.«
    Meinke weicht einen Schritt vor ihm zurück. »Oh nein. Ich mache
niemanden tot. Verprügelt hätte ich den Adolf, aber nicht so etwas.«
    »Niemand sagt, dass du es warst«, beschwichtigt der Oberinspektor.
»Aber jeder von deiner Bande hätte ein Motiv. Einer von euch läuft Adolf
Winkelmann über den Weg – und begleicht die offene Rechnung.«
    »Nein, so etwas könnte keiner von uns tun.«
    »Das ist der Spruch, den man als Krimsche am zweithäufigsten zu
hören bekommt. Nach: ›Ich schwöre, ich bin unschuldig.‹ Du kannst nicht für
alle deine Jungen garantieren.«
    Meinke schüttelt den Kopf. »Wenn das jemand aus meiner Bande getan
hätte, der hätte geredet. Der hätte doch nicht einfach so Adolf Winkelmann
abgemurkst und niemandem davon erzählt. Der hätte was gesagt – allein schon, um
damit zu prahlen. War aber nicht. Und ehrlich gesagt, wir haben das alles schon
beinahe wieder vergessen. Wenn Sie mir nicht das Foto gezeigt und diese Fragen
gestellt hätten – ich hätte kaum noch dran gedacht. Nicht, dass ich herzlos
wäre. Aber das war nicht der einzige Unfall. Da gewöhnt man sich irgendwann
dran und macht dann am nächsten Tag weiter. Also, sagen wir so: So wichtig war
diese ganze Sache dann doch nicht.«
    Stave weiß nicht, ob er Meinke glauben soll. Wenn ein Verdächtiger
lügt, versucht er dabei zugleich, sich in seiner erfundenen Geschichte als
möglichst guten Menschen darzustellen – entspricht nicht gerade dem, was ihm
dieser Junge da soeben erzählt hat. Andererseits könnte genau dies eine
besonders abgebrühte Form von Lüge sein: Mach dich schlecht, damit die Polente
dir glaubt. Aber nicht so schlecht, dass sie dir das Verbrechen anhängen kann.
    »Wo wohnst du?«
    »Immer noch im Keller in Rothenburgsort.« Meinke gibt ihm die
Adresse, der Oberinspektor notiert sich den Namen einer Straße, die mit
Trümmern so zugeschüttet ist, dass sie praktisch nicht mehr existiert. Er
bezweifelt, dass er Meinke dort tatsächlich finden könnte, wenn er ihn suchte.
Aber er weiß von den Bahngleisen und vom Binnenhafen am Billekanal. Irgendwovon
muss ein Herumstreuner wie er ja leben, also würde er ihn früher oder später
immer an einem der beiden Orte stellen.
    »Danke für die Auskünfte«, sagt er und nickt. »Du kannst gehen.«
    »Sie lassen die Jungen laufen?«, fragt Kleensch, der sich
im Rosengarten wieder zu ihm gesellt. Inzwischen brennt die Sonne vom Himmel, Staub
flirrt in der Luft, vertrocknete Blütenblätter wirbeln über die Wege. Die
ersten Pärchen flanieren im Park, manche Hand in Hand. Andere mit dem Blick auf
Büsche und Unterholz, auf der Suche nach einem Versteck, wo sie ein paar
ungeschickte, leidenschaftliche Augenblicke lang ungestört sind. Stave zwingt
sich, nicht an Anna zu denken. »Freiwillig wäre von den Kohleklauern keiner
mitgekommen. Denken Sie an die große Schlägerei im letzten Winter, als 800 Plünderer mit Latten und Steinen auf einige Beamte losgegangen sind.«
    »Das war im Hungerwinter. Heute lauerten an den Schienen bloß einige
Jungs. Ich nehme an, Sie haben eine Waffe.«
    Der Oberinspektor schenkt ihm ein schiefes Lächeln. »Hätte ich die
gezogen, hätten Sie eine schöne Geschichte: ›Polizist bedroht Hamburger
Kinder.‹ Es sind die rechtschaffenen Familien dieser Stadt, die ohne diese
Zugabenteuer ihrer Sprösslinge im Winter erfrieren würden.«
    »So schlecht denken Sie von mir?«
    »Sie tun Ihre Arbeit, ich tue meine.«
    »Haben Sie etwas erreicht?«
    »Mehr als in den paar Tagen davor. Ich habe einen Anfangsverdacht.«
    »Klingt nicht so, als würden Sie darüber mit mir reden.«
    Der Oberinspektor lacht. »Dafür ist es noch zu früh.«
    »Es ist nie zu früh für einen Redakteur«, seufzt Kleensch. »Also
gut: Noch keine Geschichte. Aber wenn Sie etwas haben, dann erfahre ich es vor
den anderen. Das ist der Preis dafür, dass ich Ihnen zuliebe am Samstagmorgen
in aller Frühe aus dem Bett gekrochen bin.«
    »Sie bekommen Ihre Geschichte.«
    Er verabschiedet sich von Kleensch und schlendert zur
Kripo-Zentrale. Die Hitze ist erstickend, doch bringt sie ihm auch
Erleichterung: Je wärmer

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