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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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noch immer eine
große Staubwolke.
    Cuddel Breuer versammelt seine Männer an den Landungsbrücken. »Gut
gemacht. Wir haben die Menge zerstreut, ohne dass sie es gemerkt hat.«
    »Dieses Mal ist es noch gut gegangen«, wirft ein Beamter ein.
    Breuer streicht sich nachdenklich über das Haupt. »Bei Blohm &
Voss braut sich etwas zusammen. Das wird uns noch eine Zeit lang in Atem
halten. Gehen wir wieder zur richtigen Arbeit zurück!«, ruft er und reibt sich
die Hände. Erst als er sich umdreht, erkennt Stave, dass das Hemd seines Chefs
von den Schultern bis zur Höhe der Nieren durchgeschwitzt ist.
    Der Oberinspektor breitet eine Stunde später die Akten
seines Mordfalles auf dem Schreibtisch aus: Die Fotos des toten Jungen. Die
Fotos aus dem Obduktionsbericht. Seine Notizen. Was ist die beste Spur?
Zwangsarbeiter bei Blohm & Voss? Unwahrscheinlich. Es gibt keinen Hinweis
außer MacDonalds Brief. Schmuggler und Schieber vom Schwarzmarkt? Kein
Verdächtiger, kein Motiv, kein Bezug zum Tatort. Kohlenklauer? Ein Motiv, ein
möglicher Verdächtiger, wenn auch kein Hinweis auf Blohm & Voss. Aber das
Beste, was er hat. Es widerstrebt ihm, jemanden zu verhaften, der noch ein
halbes Kind ist. Aber ein halbes Kind war das Opfer auch. Also entschließt sich
Stave, Staatsanwalt Ehrlich um einen Haftbefehl zu bitten: gegen Wilhelm
Meinke.
    Vielleicht war er es nicht, Stave hat nach wie vor Zweifel. Aber
wenn der Junge erst einmal einsitzt, dann wird er mir noch mehr verraten. Und
außerdem habe ich etwas vorzuweisen, falls Kripochef Breuer nachfragt. Oder ein
Engländer. Und wenn du diesen Fall schnell über die Bühne bringst, dann hast du
mehr Zeit für Anna und Karl, flüstert eine innere Stimme, auch wenn er weiß,
wie gefährlich diese Verführung ist.
    »Der Herr Staatsanwalt ist zu einem Spaziergang ausgegangen«,
erfährt der Oberinspektor ein paar Minuten später von einem jungen,
graugesichtigen Assessor, dem diese Mitteilung sichtbar peinlich ist. Auch der
Kripobeamte ist verwundert, Ehrlich nicht an seinem Platz vorzufinden.
»Hitzefrei?«, fragt er.
    Der Assessor wird noch eine Spur fahler. »Im Gegenteil: Wir
bearbeiten so viele Prozesse. Die Anklage morgen …«
    »War nur ein Scherz«, unterbricht ihn Stave. »Hat Herr Ehrlich
gesagt, wohin er gehen will?«
    Der junge Mann windet sich vor Scham. »Planten un Blomen«, stößt er
hervor.
    »Immerhin kein Bordell«, murmelt Stave schmunzelnd und verabschiedet
sich mit einem Nicken. Von der Staatsanwaltschaft bis zum Park sind es nur ein
paar Hundert Meter. Kann ein Zufall sein, dass Ehrlich, der sonst Tag und Nacht
arbeitet, ausgerechnet heute eine Auszeit nimmt und ausgerechnet in Planten un
Blomen spazieren geht. Kann aber auch sein, dass der Herr Staatsanwalt dem
einen oder anderen meiner Schritte folgt, denkt Stave. Nachforschungen bei den
Kohlenklauern auf eigene Faust? Aber warum sollte er das tun? Traut er mir
nicht?
    Er zahlt die 30 Pfennig Eintritt – Münzen, die nahezu wertlos sind –
und wandert über die Wege. Ausflügler im Schatten der Bäume, Frauen in geblümten
Kleidern, die sie irgendwie durch die Bombennächte gerettet haben, Männer in
Leinenanzügen, Kinder, die unverdrossen Papierflieger werfen, obwohl sie in der
stehenden Luft wie ermattete Vögel zu Boden segeln. Der Duft nach trockener
Erde von den Kartoffeläckern, wo die Pflanzen in schwachem Grün unter der Hitze
welken. Wird keine berauschende Ernte geben, vermutet Stave. Flüchtig fragt er
sich, wie die Schupos im Herbst die Felder vor Plünderern schützen wollen. Sie
müssen Hundertschaften abstellen, für die paar Knollen.
    Er muss bis zum Rosengarten gehen, bis er Ehrlich entdeckt. Der
Staatsanwalt flaniert zwischen den Blüten, hält gelegentlich inne, zupft hier
ein Blatt, saugt dort den Duft aus einem roten oder gelben Kelch ein. Er ist in
ein angeregtes Gespräch vertieft und so heiter, wie Stave ihn noch nie gesehen
hat. Kein Wunder, spaziert doch eine schöne Frau an seiner Seite – Anna.
    Stave tritt hastig hinter einen Busch, betäubt von tausend
Fragen. Ist doch nur ein harmloser Spaziergang. Aber wie beide sprechen: leise,
eindringlich, Hände, die Gesten formen. Eine Unterhaltung, die ihn so
eifersüchtig macht, als würde Anna den älteren Mann küssen. Mach dich nicht
lächerlich, ermahnt er sich. Der überkorrekte Staatsanwalt, ausgerechnet mit
Anna, die heimlich durch Ruinen schleicht, um Kunstwerke zu bergen.
Andererseits auch nicht unwahrscheinlicher, als

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