Schieber
dass sie sich mit einem
Oberinspektor der Kripo abgibt.
Stave ist es peinlich, im Gesträuch zu stehen wie ein Sittenstrolch.
Er macht sich davon, darauf bedacht, nicht über Wege zu gehen, auf denen man
ihn schon aus größerer Entfernung erkennen könnte. Vor dem Parkeingang atmet er
durch. Was hat Anna mit Ehrlich zu schaffen? Oder hat der Staatsanwalt sie
einbestellt?
Er muss eine halbe Stunde warten, versteckt hinter der Ruine des
Torwärterhäuschens. Anna und Ehrlich schütteln sich die Hand zum Abschied, sehr
förmlich. Immerhin. Der Kripo-Mann wartet, bis der Staatsanwalt verschwunden
ist. Absurd, ihn jetzt um die Beantragung eines Haftbefehls zu bitten, als wäre
nichts gewesen. Dafür könnte er nicht gut genug schauspielern, er würde sich
durch irgendeine Unachtsamkeit verraten. Soll er auch Anna ziehen lassen? Er
tritt vor, geht ihr nach. Sie erblickt ihn erst, als er praktisch schon neben
sie getreten ist.
Anna zieht die Luft mit einem Seufzer ein, als hätte man ihr einen
Schlag versetzt. »Spionierst du mir nach?«, faucht sie und beschleunigt ihre
Schritte.
Wie zornig sie ist, denkt Stave, und wie schön. »Ich wollte mit
Ehrlich sprechen«, antwortet er, schärfer, als er eigentlich vorhatte. »Aber
ich musste mich in eine Warteschlange einreihen.«
Sie bleibt abrupt stehen und blickt ihn an. »Ich rede, mit wem ich
will. Wo ich will. Und wann es mir passt. Du hast dein Leben. Ich habe meins.«
»Worüber habt ihr geredet?«
»Du kannst es nicht lassen, Herr Oberinspektor?«
»Berufskrankheit.«
»Immer im Beruf. Das haben wir noch gemeinsam.«
»Du hast mit dem Staatsanwalt über Kunst geredet?«, entfährt es
Stave ungläubig.
»Ich habe ihn in der Gaststätte kennengelernt«, erinnert sie ihn
überflüssigerweise. »Da unterhielten wir drei uns über Kunst.«
»Eher ihr zwei.«
»Offenbar hat der Herr Staatsanwalt danach«, sie sucht nach dem
richtigen Wort, zuckt dann die Achseln, »Erkundigungen über mich eingezogen.«
»Erkundigungen?« Der Oberinspektor fürchtet, dass Ehrlich nun weiß,
wie es um ihn und Anna steht.
»Darüber, wie ich mein Geld verdiene.«
»Hat er dir mit Verhaftung gedroht?«
Anna lacht überrascht, schüttelt den Kopf. »Ehrlich ist ein
charmanter Herr.«
»Ein charmanter Herr, der mehr Männer unter das Fallbeil geschickt
hat als jeder andere Staatsanwalt in der britischen Zone.«
»Männer, die es verdient haben. Ich fühle mich sicher.«
»Wie schön.«
»Sei nicht so sarkastisch. Wir haben eben wieder über Kunst geredet – über seine. Er hat mich um diese Unterredung gebeten.«
»Du sollst Kunst für ihn besorgen?«
»Ich soll sie wiederfinden. Die Meisterwerke seiner Sammlung.«
Langsam geht dem Oberinspektor ein Licht auf. »Er hat dich zu seiner
Informantin gemacht … für den Schwarzmarkt mit gestohlener Kunst.«
»Mit Kunst, die man in den braunen Jahren den jüdischen Besitzern
entrissen hat. Ehrlichs Sammlung ist geplündert worden.«
»Ich habe ein Bild davon gesehen«, murmelt Stave.
»Seit 1945 ist das keine ›Entartete Kunst‹ mehr. Museen holen die
Bilder zurück in ihre Räume. Galerien stellen Arbeiten aus.«
»Die ›Junge Galerie‹, die vor ein paar Wochen die Arbeiten dieses
englischen Majors präsentiert hat.«
»William Gear, Expressionist. Ich war bei der Vernissage dabei.
Ehrlich nicht, er musste einen Prozess vorbereiten. Aber er kam später. Er hat
gesehen, wie viele Leute in die Galerie geströmt sind. Welche Preisschilder auf
den Bilderrahmen kleben. Und da wusste er, dass man die Sachen, die man ihm
gestohlen hat, heute wieder verkaufen kann. Für sehr viel Geld.«
»Nur nicht legal. Denn es bleiben ja seine Werke.«
»Und wer würde es wagen, ausgerechnet die Kunst von Hamburgs
gefürchtetstem Staatsanwalt zu verscherbeln? Das geht nur unter der Hand.«
»Schwarzmarkt, Schmuggel, britische Offiziere.«
»Deshalb wollte Ehrlich mit mir reden. Er hat mir eine Liste seiner
Werke gegeben. Eine ziemlich beeindruckende Liste. Ich soll mich für ihn
umsehen. Ob irgendwo ein Werk davon auftaucht, bei irgendwem, irgendwann. Er
ist sicher, dass seine Sachen noch in Deutschland sind, vielleicht sogar in
Hamburg.«
»Und was springt für dich dabei heraus?«
Sie funkelt ihn an. »Es ist immer gut, einen Staatsanwalt zum Freund
zu haben. Das solltest Du am besten wissen«, flüstert sie und dreht sich auf
dem Absatz um.
Wie betäubt schleicht sich der Oberinspektor davon. Kein
Gedanke daran, jetzt noch zu
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