Schief gewickelt (German Edition)

Klimperpianist auf Kreuzfahrtschiffen gearbeitet. Die Frau verließ ihn aber trotzdem kurze Zeit später zugunsten eines Versicherungsmanagers. Herr Baumer hatte einen Zusammenbruch, verbrachte kurze Zeit in der Psychiatrie, lernte danach Gisela kennen und will seitdem nichts anderes als »ganz normal Geld verdienen«, wie er sich ausdrückt. Seine Instrumente hat er irgendwo im obersten hintersten Winkel seiner Wohnung eingemottet. Er hat sich geschworen, erst wieder Musik zu machen, wenn er sich eine Wohnung über 150 Quadratmeter leisten kann.
    Ich bin benommen, ich bin verwirrt. Noch beim Rausgehen hat er nach meinem neuen Rasierapparat geschielt und offensichtlich wieder seine Hirnrechenmaschine angeworfen. Aber nach allem, was er mir erzählt hat, weiß ich, dass er wohl irgendwie nicht anders kann. Seine erste Frau muss wirklich eine finstere Kreatur gewesen sein. Aus einem Musiker einen komplexgeplagten Versicherungsmakler zu machen. Was für eine kriminelle Energie. Armer Kerl.
    Ich höre, wie sich ein Schlüssel im Schloss dreht. Simone.
    »Halloo! Ja, was ist denn hier los? Dein großer Auftritt, Markus. Jetzt aber mal flott das Kostüm angezogen.«
    Nein! Schon halb fünf! Mein Puls springt mit einem Schlag auf 180.

11 B ETON
    »Und nun, liebe Freunde des gepflegten Rennsports, ist es endlich so weit: Präsentiert vom Mode-Label Krassdesign, von der Werbeagentur Die Sieben Zwerge und last but not least von Schnufti, dem Erfinder der blauen Windel, erleben wir heute
    DAS ERSTEEE BERLINEEER PAPAAAAA-BOBBYCAR-RENNEEEEEN !!!«
    Irgendwas hat der Ansager von Kermit dem Frosch, denke ich mir, während ich den Helm aufsetze.
    »In wenigen Sekunden wird der erste Fahrer auf die Piste gehen. Was haben wir auf diesen Augenblick gewartet! Die ganze Stadt ist heiß! Wir wollen wissen, wer der Beste ist! Wer jagt sein Bobby-Car am schnellsten die Piste herunter? Wessen Rennmontur bringt die Modegourmets zum Schwärmen? Wer holt den Gesamtsieg? Wer nimmt den Schnufti-Pokal und den Gutschein für zwei Wochen Eltern-Kind-Urlaub auf Teneriffa mit nach Hause? In zwei Stunden wissen wir es. Und bis dahin, meine Damen und Herren, werden wir ganz sicher ein großes Rennen erleben.«
    Der Schnufti-Pokal sieht wirklich scheiße aus. Als hätten sie ihn aus der Glasvitrine bei irgendeinem Provinzfußballclub geklaut. Soll natürlich ein ironisches Zitat sein. Nur den unvermeidlichen Fußballer auf dem Deckel haben sie durch ein Bobby-Car ersetzt. Aber unsere Mülltonne ist zum Glück überaus schluckbereit. Wenigstens gibts noch die zwei Wochen Teneriffa dazu. Aber wer weiß, ob Simone dann überhaupt mitkommen kann? Zwei Wochen allein mit Daniel im Kinderpool – ich weiß nicht. Aber egal. Es geht um die Ehre.
    »Ich darf nun den ersten Fahrer vorstellen: Vom VfB Pixelschubser, normalerweise klebt ihm der Ball am Fuß, heute aber das Bobby-Car unter dem Hintern, hahaha, hier kommt
    DANIEEELS PAPAAA !!!
    Ich sehe, es gibt noch Diskussionen. Der kleine Daniel scheint nicht einverstanden zu sein, dass sein Papa auf seinem Bobby-Car fährt. Die Mama schaltet sich ein.
    Nutzen wir die Gelegenheit, noch einen kurzen Blick auf das Rennoutfit des Fahrers zu werfen. Eine weiße Ledermontur, die zumindest das Herz des pervers veranlagten Teils unseres Publikums höher schlagen lassen müsste, aber wenn ich mich hier so umsehe, dürfte das der weitaus größte Teil sein, hahaha. Wir erinnern uns – die Hälfte der Punkte wird über die Modewertung vergeben. Wollen wir sehen, was unsere verehrte Modejury am Ende sagt. Ich persönlich finde hier den orangen Helm ja eindeutig den Schwachpunkt. Ich sag mal, wenn schon retro, dann richtig, aber ich will hier keinesfalls dem Urteil der Fachleute vorgreifen.
    So, Daniel und sein Papa scheinen sich geeinigt zu haben. Das dicke Eis, das Daniel jetzt in den Händen hält, lässt ahnen, dass hier im großen Stil Schmiergeld geflossen ist, aber das braucht uns jetzt nicht zu kümmern. Ich bekomme das Zeichen! Fahrer Nummer 1 ist bereit!
    Vier! Drei! Zwei! Eins! Start!
    Daniels Papa ist hervorragend weggekommen. Er gilt ja als der Pionier dieses schönen Sports, und man sagt, er kennt diese Strecke wie sein Wohnzimmer. Wird er uns zeigen, wo der Hammer hängt, oder geht er angesichts des hohen Erwartungsdrucks in die Knie? Gleich wissen wir mehr. Er lässt es sehr ruhig und konzentriert angehen. Keine hektischen Bewegungen. Es wirkt geradezu, als wäre die weiße Ledermontur ein