Schief gewickelt (German Edition)
Begleitet von Umhänge-Laptop und Baumerschen Elektronikklängen.
»Ich bin TNT , hui,
bin Dynamit.
Ich bin TNT
und bring den Beat.
Ich bin TNT ,
ich bin Leidenschaft.
Ich bin TNT .
Fühl meine Kraft!
Hui! Hui! Hui! Hui!
Hui! Hui! Hui! Hui!«
Easy Papa Metal. Der Trend ist nicht mehr zu stoppen. Ich sehe im Hintergrund A&R -Manager verschiedener Major Labels sitzen, die nervös auf eine Chance warten, sich gegenseitig heimlich K.o.-Tropfen in den Drink zu kippen.
Das Publikum wiegt sich im Takt. Einige ganz Mutige versuchen sich im Paartanz. Direkt vor der Bühne hat sich ein kleiner Kreis gebildet. Im Zentrum steht Daniel und führt verwegene Ballettfiguren vor. Um ihn herum tanzen Klara, Greta und Biker-Walter und machen Headbanging. Weiter hinten schweben einige bekannte Gesichter in der Menge. Ich kann nicht so gut sehen, weil mich die Scheinwerfer blenden, aber hin und wieder erkenne ich jemanden. Hubert und Dörte sehen etwas verstört aus. Meine Fußballkollegen hatten schon ein paar Drinks zu viel und flirten alle gleichzeitig mit Kindergarten-Claudia. Frau Baumer gönnt sich ein Flaschenbier und prostet Bandmutter-Karstens Freundin zu. Tante Hilda ist gut gelaunt wie immer und hat ein Auge auf die Kinder. Und daneben stehen tuschelnd, kichernd und bestens gelaunt Annette und Simone.
Es ist definitiv unser letzter Song. Easy-Papa-Metal-Bands spielen grundsätzlich keine Zugaben, weil man ja auch irgendwann ins Bett muss. Wir geben natürlich noch mal alles.
»Ich bin TNT , hui,
bin Dynamit.
Ich bin TNT ,
ich bring Hit auf Hit.
Ich bin TNT ,
ich bin ein Tier.
Ich bin TNT .
Ich explodier!«
Meine Bandkollegen schütteln definitiv das Letzte aus ihren Instrumenten. Karsten drückt einen Geheimknopf, und es hört sich an, als ob ein riesiger Schwarm wilder Enten mit elektronisch verstärkten chinesischen Glöckchen um den Hals mitten aus dem Publikum in die Luft aufsteigt. Herr Baumer lässt dazu die Raumstation Orion mit der USS Enterprise kollidieren. Der Applaus und die Hui-Rufe nehmen kein Ende.
»Danke, ihr wart wundervoll! Danke, danke, danke! Am Umhänge-Laptop: Herr Pellmann. Am E-Piano und diversen anderen Dingen, die ich weder kenne noch aussprechen kann: Herr Baumer. Und ich bin Herr Heisenkamp. Wartet bitte noch, bis die Kinder alle draußen sind, dann könnt ihr wieder rauchen. Machts gut! Bis bald! Wir lieben euch!«
Dass ich uns jeweils als ›Herr Soundso‹ vorstelle und nicht mit Vornamen, war meine Idee. Ich wollte mich wieder mal nur vor dem »Ludger« drücken, aber mittlerweile ist es ein Selbstläufer geworden. Die anderen Easy-Papa-Metal-Bands, die im Moment wie Pilze aus dem Boden schießen, machen es auch alle so.
Die A&R -Manager haben inzwischen spitzgekriegt, dass Tante Hilda unsere Managerin ist, und drängeln sich um sie herum. Hubert hat Daniel auf die Schultern genommen und lacht jetzt endlich auch. Becker kommt auf die Bühne und schüttelt jedem von uns generös die Hand. Andi streitet sich mit seiner Modedesignerfreundin, weil er den brandheißen Jogginganzugtrend immer noch scheußlich findet. Klara will von Frau Baumers Bier trinken. Kindergarten-Claudia scheint Biker-Walter noch netter zu finden als die Fußballjungs. Aber die haben dafür jetzt Annette entdeckt. Und meine Simone steht daneben und sieht nun etwas erschöpft aus.
Kein Wunder. Bei dem Bauch.
Ich habe schon eine Liste angefangen: Zehn Gründe, warum es doch nicht so schlimm ist, ein zweites Kind zu bekommen. Grund eins hab ich schon: Weil man, im Gegensatz zum ersten Kind, meistens weiß, wann und wo es entstanden ist. Wir wissen zum Beispiel ganz sicher, dass das Mädchen in Simones Bauch im neunten Stock eines hässlichen Dortmunder Hotels gezeugt wurde. In einer Nacht, die unter dem dämlichen Motto Strictly Rock ’n’ Roll stand, und ausgerechnet in dieser Nacht wollte der Hormongott der anmaßenden Antibabypille endlich mal wieder zeigen, wer hier der Boss ist.
Grund zwei bis neun hab ich auch schon: Scarlett Johansson wird die Patentante.
Grund zehn wird sich noch finden.
F RAGEN AN DEN A UTOR
Hat Ihr Buch autobiografische Züge?
Nö. Also, ich meine, ich hab natürlich verschiedene Kinderanekdoten aus unserem Freundeskreis aufgegriffen und verbraten, aber das wars dann auch schon mit dem Realitätsbezug. Die Geschichte selbst ist von vorne bis hinten erfunden. Echt. Selbst die Fußballergebnisse.
Hat Ihr Buch autobiografische Züge?
Nein! Also wenn ichs Ihnen doch
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