Schiff der tausend Träume
sich schon nicht mehr so unwohl.
Er folgte ihr in das Wohnzimmer, das voller Bilder und Wandschmuck und Marienstatuen war. Auf dem Sofa saßen ein alter Mann und das hübscheste Mädchen, das er je gesehen hatte, mit wundervollen rotbraunen Locken und grünen Augen. Als ihre Mutter sie vorstellte, erhob sie sich, und Roddy sah, dass sie groß und schlank war. »Das sind mein Mann Angelo und unsere Tochter Patricia.«
Der alte Mann setzte an, ebenfalls aufzustehen. »Nein, bleiben Sie doch sitzen, Sir«, sagte Roddy schnell.
»Meinem Mann geht es seit Monaten schon nicht so gut«, erklärte seine Frau. Roddy fielen sofort seine dunklen Augen auf, die gleichen wie bei seinen Söhnen Frank und Jack, die aus einem Foto auf dem Regal zu ihnen herabblickten.
»Bitte nennen Sie mich Patti«, sagte die Schönheit in der grünen Seidenbluse und streckte ihm die Hand entgegen. »Setzen Sie sich, Captain.«
»Danke, Ma’am. Sie müssen wissen, dass ich ein Foto von Ihnen gesehen habe, im Haus Ihrer Großmutter«, sagte er. »Aber da waren Sie nur so groß.« Er lächelte, und Patti lächelte zurück. Er konnte kaum den Blick von ihrem wunderschönen Lächeln abwenden.
Der alte Mann starrte ihn an. »Sie haben meine Familie kennengelernt, die Bartolinis? Wann?«
»Das habe ich, aber bitte erzählen Sie mir erst, was mit Frank passiert ist.« Er blickte wieder zu dessen Porträt. Im Lager hatte er nicht so gut ausgesehen, keiner von ihnen. »Ich habe erst auf dem Schiff erfahren, dass er gefallen ist.«
»Er wurde erschossen und einfach liegen gelassen. Sie sagten, er habe versucht zu fliehen. Das ist alles, was wir wissen.« Sie starrten nun alle auf Franks Porträt, als hofften sie, er könnte von dort aus das Ereignis richtigstellen.
Roddy schüttelte vehement den Kopf und hob abwehrend die Hände. »Das ist nicht wahr. Das kann nicht stimmen. Er wollte ins Lager zurück, um bei den Männern zu sein. Frank hat
mir
geholfen zu fliehen. Ihre Familie hat mich versteckt. Ich habe gesehen, wie er rechtzeitig vor dem Appell mit dem italienischen Priester zurückgefahren ist. Mehr weiß ich aber auch nicht. Er hätte ebenfalls die Chance gehabt, zu fliehen, aber er hat sie nicht wahrgenommen. Ich war da. Sie müssen mir glauben.« Zu seinem eigenen Entsetzen merkte er, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. »Er war ein guter Mann. Er war mein Freund. Wenn ich gewusst hätte, welches Risiko er auf sich nahm …«
Die Familie starrte ihn verwundert an. »Sie waren mit ihm im Dorf bei Anghiari?«
»Um ehrlich zu sein, wusste ich nie genau, wo ich war, aber Frank hat über die Kirche Kontakt zur Familie seinen Vaters aufgenommen. Das weiß ich. Sie haben mich aufgenommen und mir die Freiheit geschenkt. Sind sie in Sicherheit?«
»Wir haben nichts von ihnen gehört. Vielleicht können wir ihnen jetzt wieder schreiben, wo der Krieg vorbei ist. Sie waren mit meinem Sohn dort und haben gesehen, wie er wieder aufbrach zum Gefangenenlager?« Kathleen sah ihn fragend an.
Roddy erzählte ihnen jedes Detail, an das er sich erinnern konnte, auch die Geschichte von dem kleinen Schuh, und was passierte, als sie ihn der alten Großmutter zeigten.
»Alessias Schuh?« Der alte Mann riss die Augen auf.
»Ich kenne keine Alessia, aber als er ihnen den Schuh zeigte, wusste die alte Dame, dass Sie ihn geschickt hatten, und es war der Beweis, dass der junge Priester Frank war und kein Spion. Sie sagte tatsächlich etwas über die Spitze, aber ich fürchte, eine Spitze sieht für mich aus wie die andere.«
Kathleen bekreuzigte sich. »Oh, Angelo, es war richtig von dir, ihm den Schuh zu geben. Mein Mann hatte eine Frau und eine Tochter, die verstorben sind.«
Roddy kannte die Geschichte. »Ja, beim Untergang der
Titanic
, das hat Frank mir erzählt. Meine Mutter war ebenfalls auf diesem Schiff, aber sie hat überlebt. Was für ein seltsamer Zufall.«
»Hat er Ihnen erzählt, dass auch meine Schwester dabei ertrunken ist?«, fragte Kathleen. »Alle drei sind wir durch dieses schreckliche Unglück verbunden … Sie sagen, er hat seiner Familie den Schuh als Beweis gegeben? Als er seinen Talisman weggab, den Schuh seiner Schwester, hat er auch sein Glück weggegeben«, schluchzte Kathleen, und Patti nahm sie in die Arme.
»Das ist alles so überwältigend, aber wir danken Ihnen«, sagte Patti. »Sie wurden uns als Trost geschickt.«
Roddy sprang auf, er wollte nicht länger stören. »Ich gehe jetzt besser«, sagte er.
»Nein, bitte
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