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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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Zeichenbrett und lächelte.
    Anthony, dachte sie, Geliebter, ich bin wieder zu Hause, und ich werde ganz neu anfangen.

119
    1946
    Roddy stand an der Reling des Truppentransporters, der ihn nach Hause brachte. Er kam sich vor wie ein Greis – ganz anders als der Mann, der 1942 dem Aufruf zum Kriegsdienst gefolgt war. Sein Kopf steckte voller Erinnerungen, die er am liebsten vergessen würde – die erbitterten Kämpfe in Italien, um Richtung Norden und schließlich nach Deutschland vorzudringen, dort der Anblick grauenvoller Szenen, erschöpfte Truppen, die Gefangenen der Konzentrationslager. Nie wieder wollte er einen Bombenabwurf erleben. Er hatte sich einer anderen Einheit der Fünften Armee angeschlossen. Von seiner alten Truppe war keiner mehr übriggeblieben. Er war ein Fremder unter Fremden gewesen, die bald zu einer Gruppe Kampfbrüder verschmolz.
    Die Freundlichkeit und Güte der italienischen Bauern, der
contadini
, würde er nie vergessen. Sie hatten ihm die Chance gegeben, zu den Alliierten zu stoßen und weiterzukämpfen. Diese seltsamen Monate in den toskanischen Hügeln würde er sein ganzes Leben nicht vergessen.
    Etwa zur Hälfte der Überfahrt setzten sich auch zwei Priester an den Offizierstisch im Speisesaal, ein Jude und ein Katholik, wie er an ihren Insignien erkannte. Er sah sofort, dass die Männer sehr erschöpft waren, denn ihre Augen zeigten tiefe dunkle Ringe vor Müdigkeit. Der katholische Priester hatte einen Tic in der Wange. Sie kamen ins Gespräch, und Roddy erzählte, wie Pater Frank Bartolini ihm vom Lager bei Arezzo aus geholfen hatte, bei seiner eigenen Familie Unterschlupf zu finden. Dann fragte er, ob sie etwas von ihm gehört hätten.
    Der Priester, ein Jesuit namens Paul, sah ihn interessiert an. »Francesco Bartolini? Er war in meinem Trainingslager in Harvard, kleiner dunkler Kerl. Er wurde …« Er hielt inne und sah ihn über seine Brille hinweg an. »Wissen Sie das nicht?«
    Roddy hatte das Gefühl, sein Herz würde einen Schlag aussetzen. Er schüttelte den Kopf. »Haben Sie ihn gesehen?«
    Nun schüttelte Paul den Kopf. »Ich fürchte, er ist erschossen worden. Wir haben es nur gehört. Sie haben ihm das Verwundetenabzeichen Purple Heart verliehen, posthum.«
    »Wann? Wo?« Roddy begann zu zittern. Er konnte nicht begreifen, was er da hörte.
    »Viele Priester haben an der Front ihr Leben gelassen. Ich erinnere mich nur, dass sein Name in Gebeten für die Gefallenen genannt wurde, und mir fiel ein, dass ich ihn kennengelernt hatte.«
    »Aber als ich ihn das letzte Mal sah, war er ein Gefangener. Wie kann ich mehr erfahren?«
    »Im Korps der Militärgeistlichen wird man nähere Informationen haben. Es tut mir leid. War er ein Freund?«
    Roddy nickte. »Ich schulde diesem Mann so viel.« Er hatte keinen Hunger mehr und wollte nur noch an die frische Luft.
    Später, als er über das Deck spazierte, machte Roddy sich Sorgen, dass Franks Tod etwas mit seiner Flucht zu tun gehabt haben könnte. Was war wohl mit seiner armen Familie geschehen? Waren sie in Sicherheit? Er musste mehr herausfinden. Er konnte nicht nach Akron in sein altes Leben zurückkehren, ohne vorher zu ergründen, was genau mit seinem guten Freund passiert war. Er hatte sich so darauf gefreut, ihn wiederzusehen.
    In New York angekommen, erinnerte er sich an ein Gespräch mit Frank über seine frühere Gemeinde in New Jersey. Nach nur ein paar Telefonaten hatte er die Kirche St. Rocco’s an der Hunterdon Street in Newark ausfindig gemacht sowie die Adresse von Franks Familie in Manhattan. Er schrieb eine kurze Nachricht, in der er sich vorstellte und um einen Kondolenzbesuch bat, bevor er wieder nach Ohio reisen würde. Er schrieb der Familie, er verdanke Pater Frank sein Leben.
    Zwei Tage später klopfte er an die Tür einer Wohnung im italienischen Brownstone-Viertel von Lower Manhattan. Eine grauhaarige Dame öffnete die Tür und lächelte. »Bitte kommen Sie herein, Captain. Ich bin Kathleen Bartolini.«
    Roddy spürte, dass die Vorstellung, mit Franks Eltern zu reden, ihn sehr mitnahm. Er würde einfach sein Beileid aussprechen und wieder gehen. Sicher wollten sie nicht daran erinnert werden, welche Konsequenzen die Hilfsbereitschaft ihres Sohnes gehabt hatte.
    »Sie müssen Roderick Parkes sein. Frank hat von Ihnen geschrieben. Sie haben in seinem Chor gesungen. Seinen ›englischen Domchorknaben‹ hat er Sie genannt«, sprach Mrs Bartolini weiter, und beim Klang ihres irischen Akzents fühlte er

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