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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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bin? Ich war es, der gesagt hat, wir hätten ein gutes Leben hier. Wenn sie das erfahren, bringt es sie um.«
    »Hören Sie, sehen Sie den Tatsachen ins Auge. Die beiden sind tot, und Sie müssen die Nachricht so behutsam wie möglich überbringen.«
    »Und wenn sie nun auf der Suche nach mir durch die Straßen irren?«
    Der Angestellte nahm seine Hornbrille ab, putzte sie und schüttelte den Kopf. »Ihr Italiener habt eure eigenen Zeitungen und Läden. Ihre Frau würde Sie finden.«
    »Überall, wo es mir möglich war, habe ich Karten aufgehängt: in der Kirche, in Herbergen, an Anschlagbrettern, sogar an den Bürgersteigen. Ich habe so ein Gefühl. Ich muss weitersuchen für den Fall, dass jemand etwas weiß«, brachte Angelo vor. Er konnte nicht aufgeben, jetzt nicht. Der Gedanke quälte ihn, dass Maria und das Kind irgendwo in der Stadt feststeckten, allein in einem fremden Land, unfähig, sich verständlich zu machen.
    »Ihre Mühe ehrt Sie, aber wir haben auch alles getan, was wir von hier aus können. Sprechen Sie mit Ihren Priestern und Ihren Landsleuten in der Stadt, aber Sie müssen sich der Wahrheit stellen.«
    »Was ist wahr? Es heißt, das Schiff sei untergegangen, und nur für die Hälfte der Passagiere seien Rettungsboote vorhanden gewesen, die dritte Klasse habe man sich selbst überlassen, bis es zu spät war … Ich habe Gerüchte gehört, dass Menschen an Deck geschossen haben. Können Sie sich vorstellen, was meine Frau durchgemacht hat, ohne jemanden zu haben, der ihr half?« Er schrie jetzt.
    »Beruhigen Sie sich, Gerüchte helfen Ihnen nicht weiter. Was passiert ist, ist passiert, und deshalb wird eine Untersuchung eingeleitet, um sicherzustellen, das so etwas nicht mehr passiert.«
    Ein Zuhörer mischte sich ein. »Und wie viele Männer aus dem Zwischendeck konnten Zeugnis ablegen? Nur dreihundert von vielen Hunderten, habe ich gehört. Es war ein Massaker. Wie soll diesem jungen Mann jemals Gerechtigkeit widerfahren? Eine Schande ist das!«
    »Ich bin weder Richter noch Geschworener. Ich mache nur meine Arbeit. Lassen Sie es also nicht an mir aus. Sie müssen Ihr Leben weiterleben. Viele sind noch schlechter dran als Sie.« Der Angestellte war verunsichert durch die Unterstützung, die Angelo erhielt. »Wenn das so weitergeht, rufe ich den Geschäftsführer.«
    Mehr gab es nicht zu sagen, doch Angelo zog den kleinen Schuh noch einmal hervor und zeigte ihn dem Publikum. »Damit muss ich bis ans Ende meiner Tage leben. Ich habe meine Kleine umgebracht«, flüsterte er. »Dabei bin ich nicht einmal dazu gekommen, sie im Arm zu halten. Sie kam zur Welt, nachdem ich fort war.« Er holte ein zerknittertes Foto aus der Tasche. »Das ist alles, was ich habe, dieses Foto von meiner Maria mit Alessia.«
    »So ein hübscher Name«, bemerkte eine Frau mitleidig.
    »Das war der Name meiner Großmutter«, sagte er und bekreuzigte sich.
    »Jetzt gehen Sie und suchen einen Verkaufsstand, trinken Kaffee und beruhigen sich«, sagte der Angestellte. »Sie können sich nicht dauernd von der Arbeit freinehmen, um hierherzukommen.«
    »Wie soll ein Mann denn arbeiten, wenn er seine Welt verloren hat? Warum musste uns das zustoßen? Womit haben sie ein solches Los verdient?«
    »Keine Ahnung, mein Sohn, keine Ahnung. Was für ein Allmächtiger lässt einige leben und andere sterben? Tut mir leid, aber Sie müssen gehen. In der Schlange warten noch andere.«
    Als Angelo sich umdrehte, um zu gehen, zögerte der Angestellte. »Viel Glück! Vielleicht kommt eines Tages die Wahrheit heraus.«
    Jemand klopfte ihm auf den Rücken. Ein anderer drückte ihm den Arm. Das alles war ihm kein Trost.
    Angelo tastete nach dem Schuh in seiner Tasche, senkte den Kopf und zog seine Kappe tief ins Gesicht, um seinen Schmerz zu verbergen. Er würde nie aufhören, nach Maria und Alessia zu suchen. Aber jetzt musste er erst einmal einen Brief nach Hause schreiben, der allen das Herz brechen würde.

29
    Die Rückreise nach Akron verlief in düsterer Stimmung. Celeste starrte aus dem Fenster, während Jack Bryden unbehaglich ihr gegenübersaß. Sie waren jetzt fünf Tage später als geplant unterwegs, was zum Teil an Celestes Trotz und ihrer Enttäuschung darüber lag, dass Grover nicht auf schnellstem Wege nach New York geeilt war, um sie in Empfang zu nehmen. Wenn er voller Sorge um ihre Sicherheit gewartet hätte, wäre ihr Wiedersehen womöglich leichter gewesen. Nach all den Wiedersehensszenen, in denen Menschen ihre Gefühle

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