Schiff der tausend Träume
wird Ihnen guttun.«
Wenn Celeste eine Idee hatte, fiel es schwer, sich ihr zu widersetzen. Wie sollte May ihr erklären, dass es kein Urlaub war, sondern ein lebendiger Albtraum, die Zeit auszufüllen, bis sie wieder in ihr Heimatland zurückkehren konnte? Sie wollte nicht im Park spazierengehen. Joe hätte an ihrem Arm sein sollen, nicht eine Fremde, so nett sie auch sein mochte. Sie wollte nicht, dass um Ella so viel Getue gemacht wurde, dass man sie fotografierte – aus Gründen, die sie für sich behalten musste.
May konnte noch immer nicht fassen, dass in der vergangenen Woche an Bord des Schiffes oder an Land niemand Anspruch auf das Kind erhoben hatte. Wenn sie Ella auf dem Arm hatte, waren ihre Gedanken von Ellen abgelenkt, die ihr jede Nacht in ihren Träumen erschien und die Hände ausstreckte, um hochgehoben zu werden, wenn sie in ihren kleinen schwarzen Lederschuhen hingefallen war. Mit einem Aufschrei wurde May wach, und stets kam Celeste an ihr Bett.
»Es ist nur ein Traum. Ella ist in Sicherheit. Sie sind in Sicherheit. Schlafen Sie wieder ein.«
Sicherheit, dachte May verbittert. Wenn sie wüsste …
26
Angelo rannte durch die Straßen, angeregt von dem Gedanken, dass seine Familie im Regen auf ihn warten würde. Er war erschöpft, das war der härteste Tag in seinem Leben, aber nun bestand Hoffnung. Wenn sie sich nun verlaufen hatten, oder noch schlimmer? Die letzten paar Schritte waren eine Qual. Außer Atem rief er: »Maria, ich bin wieder da …« Dann sah er seinen Onkel Salvi, der mit besorgtem Gesicht auf ihn herabschaute.
»Oh, Angelo, wir haben die Nachricht gehört. Wir haben gewartet.«
»Sind sie noch nicht hier?«, fragte er und brach im Treppenhaus zusammen. »Sie hat die Anschrift. Sie wird kommen.«
Schweigend warteten sie eine Stunde, und Angelo schritt gepeinigt auf und ab. »Nur eine Stunde noch, dann kommen sie. Die Stadt ist groß. Maria würde mich nicht verlassen.«
»Es ist schon spät. Du musst mit mir nach Hause kommen. In solchen Zeiten sollte man nicht allein sein.«
»Nein, ich muss hier sein, falls sie kommt. Sie hat so eine weite Reise gemacht. Ich kann sie jetzt nicht im Stich lassen.«
»Sie kommt nicht, Angelo. Sie war doch nicht am Kai, oder?«
»Aber ich habe den Babyschuh, schau. Toskana-Spitze … unverkennbar. Haben wir nicht ein ganzes Paket davon mitgebracht, um sie an die entsprechenden Läden zu verkaufen? Bitte, lass uns noch etwas länger warten, Salvi.«
Der Morgen dämmerte, als Salvi ihn mit zurück zum Laden nahm, zu Anna und in den Schoß seiner Familie. Angelo weinte wie ein Kind und murmelte vor sich hin. Dr. Fortuna kam vorbei, und als er sah, in welchem Zustand Angelo war, verabreichte er ihm ein Schlafmittel. Sie ließen ihn auf dem Sofa schlafen, denn er sollte nicht in seine leeren Zimmer zurückkehren.
»Ich muss gehen. Vielleicht liegt eine Nachricht vor«, flehte er. Besucher kamen mit Kuchen, Blumen und Beileidswünschen vorbei. Er hatte ein eigenartiges Fieber, ihm war heiß und kalt, er bekam keine Luft. Er konnte weder arbeiten noch denken und jammerte nach seiner Frau.
Pater Bernando kam jeden Tag, um ihn zu trösten, und bot eine Messe für ihre Seelen an.
»Dir bricht das Herz, aber es wird heilen. Nur Gebete lindern deinen Schmerz. Die beiden sind jetzt an einem besseren Ort«, brachte er vor.
Angelo wollte das nicht hören. »Aber ich will sie bei mir haben. Ich weiß, dass sie da draußen irgendwo sind. Ich habe Karten in die Läden gehängt und an die italienische Zeitung gegeben. Schauen Sie«, sagte er, und seine Miene hellte sich auf, »da ist eine Frau, die mich treffen will. Sie sagt, sie hat Maria mit unserem Kind auf dem Schiff gesehen. Sie ist sicher, dass es meine Maria ist, aber sie muss einen langen Weg zurücklegen, um mit mir zu sprechen, deshalb schicke ich ihr Geld für den Zug.«
»Wie heißt sie?«, fragte Bernardo. »Zeig mir den Brief.«
»Signora Bruno … hier.«
»Ist sie gekommen?«
»Noch nicht, aber in den nächsten Tagen.«
Der Priester seufzte. »Ich glaube nicht, dass die Person kommt, die das geschrieben hat, wer immer es sein mag. Sie hat deine Dollars. Menschen, die Leidende ausplündern, gibt es immer. Die Stadt ist voll von Gaunern, die behaupten, Überlebende zu sein, die Bargeld brauchen, sie bitten um Gefallen, geben Verzweifelten falsche Hoffnung und erzählen Lügen zum eigenen Nutzen. Tut mir leid.«
»Ich gebe nicht auf, Pater. Ich habe den Schuh meiner Kleinen.
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