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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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Kopfnicken auf das schlafende Kind. »Sie kommt an erster Stelle. Es wird uns gutgehen. Sie gehen jetzt lieber. Alle waren so nett, aber je eher wir an Bord gehen, desto schneller werden wir ablegen. Keine langen Abschiede. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen. Sie waren eine gute Freundin. Sie hätten sich um mich nicht kümmern müssen, aber Sie haben es getan. Sie haben mir das Leben gerettet, mich auf dem Rettungsboot warm und wach gehalten. Mir fehlen die Worte, um Ihnen dafür zu danken.«
    »Schreiben Sie mir, May, das ist mein voller Ernst. Erzählen Sie, wie alles läuft, malen Sie mir Bilder von meiner Heimatstadt. Ich wäre so dankbar für die Korrespondenz mit Ihnen. Manchmal habe ich wirklich Heimweh.«
    »Ich werde mir Mühe geben. Hatte nie viel Verwendung für Papier und Tinte, nur Listen und so Zeug. Ich habe mich noch nie mit jemandem geschrieben, aber ich werde es versuchen. Ich hoffe nur, dass dieses Ding besser schwimmt als das andere.« May schaute mit schiefem Lächeln auf. »Hätte nie gedacht, dass ich so einen Witz mache. Was passiert mit mir?«
    »Veränderung, das ist es.« Celeste nickte nachdenklich. »Nach allem, was geschehen ist, wird keine von uns wieder so sein wie vorher. Aber wir haben überlebt, und wir werden weiterleben. Sehen Sie nur, wie tapfer Sie waren, und so fest entschlossen, wieder über den Ozean zu fahren, der …« Sie verstummte. »Viel Glück und
bon voyage
.« Celeste atmete tief ein, als sie das Kind küsste und dann May fest an sich drückte. »Gehen Sie besser, bevor ich mich hier zum Narren mache. Ich werde Ihren Mut nie vergessen, Ihren Willen, nach einer solchen Tragödie ein neues Leben zu beginnen. Der Herr sei mit Ihnen auf Ihrer Reise. Sie haben mir so viel an die Hand gegeben, worüber ich nachdenken kann.«
    May entfernte sich, während Celeste noch stehen blieb, bis sie nur noch ein Fleck in der Entfernung war und sich dann im Gedränge am Kai verlor. Ob wir uns je wiedersehen werden? Sie seufzte und wandte sich dem Ausgang zu.

28
    Nachdem er sich erholt hatte, nahm Angelo jeden Tag den Weg zu den Büros der White Star Line auf sich. Bestimmt hatte jemand irgendwo etwas Neues erfahren? Er hatte von Fehlern auf den Passagierlisten gehört. Der Beamte mit der gerunzelten Stirn und den müden Augen schaute auf und stöhnte, als er Angelo erkannte.
    »Nicht Sie schon wieder. Jetzt hören Sie zu, ich habe es Ihnen schon gesagt, wenn wir Neuigkeiten haben, schicken wir Ihnen ein Telegramm. Wir haben Ihre Anschrift.« Die Angestellten waren anfangs mitfühlend gewesen, doch im Lauf der Wochen wurden sie ungeduldig, da Angelo sie tagtäglich anflehte, die Liste der Überlebenden noch einmal zu prüfen. »Sie sind in Cherbourg an Bord gegangen, Ihre Frau und Ihr kleines Kind, aber sie haben es nicht geschafft. Die Liste ist abgehakt. Traurig, dass sie auf keiner Liste stehen.«
    »Aber ich habe gehört, dass jemand einen falschen Namen angegeben hat.«
    »Gerüchte und Spekulationen in der Presse, mehr nicht. Sie müssen sich damit abfinden, dass sie in der Nacht wie viele andere arme Seelen untergegangen sind.«
    »Aber sehen Sie doch nur diesen Schuh … Meine Frau war eine begabte Spitzenklöpplerin, so wie meine Mutter. In unserer Gegend wurde besondere Spitze hergestellt, und sie sagte mir, sie wolle etwas nach New York mitbringen, um sie zu verkaufen. Niemand sonst konnte diese Arbeit verrichten, niemand.«
    »Vielleicht hat ihr jemand auf dem Schiff etwas abgekauft, einer der Passagiere. Kann sein, dass er gestohlen wurde. Alles ist möglich«, erwiderte der Angestellte und wandte sich entschieden dem Papierberg auf seinem Schreibtisch zu, um Angelo zu signalisieren, dass er die Unterhaltung als beendet ansah.
    Hinter ihm wurden die Leute langsam ungeduldig. Angelo wusste, wie ungepflegt er mit seinem Dreitagebart aussah, und sein wirrer Blick war der eines Wahnsinnigen. Ihm war durchaus bewusst, dass man ihn für geistesgestört halten konnte. Er drehte sich um und zeigte den anderen Menschen in der Warteschlange den kleinen Schuh.
    »Wer würde denn einen Babyschuh stehlen?«, fragte er sie.
    »Es gibt Passagiere, die Flöhe von einem Hund stehlen würden, wenn sie die Gelegenheit bekämen«, murmelte ein Mann hinter ihm.
    »Tut mir leid«, sagte der Angestellte. »Gehen Sie nach Hause und schreiben Sie an Ihre Leute, wo immer sie leben, dass Sie schlechte Nachrichten haben.«
    »Wie soll ich denn ihrer Mamma sagen, dass ich am Tod ihrer Tochter schuld

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